Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung auf Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Bezugnahme auf jeweils geltende Tarifverträge in einem vor 2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrag kann auch dann als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden, wenn die Tarifverträge bei Abschluss des Arbeitsvertrages allgemeinverbindlich waren.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; TVG §§ 1, 4-5
Verfahrensgang
ArbG Regensburg (Urteil vom 17.10.2007; Aktenzeichen 6 Ca 4435/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 17.10.2007 – 6 Ca 4435/06 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Entgelterhöhungen hat.
Die Klägerin war von Juli 1995 bis September 2006 bei der Beklagten, einem Möbeleinzelhandelsunternehmen beschäftigt. § 17 des Arbeitsvertrages vom 1.7.1995 lautet:
„I. Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, finden die Tarifverträge für den bayerischen Einzelhandel in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie die Betriebsordnung Anwendung. Der/die Arbeitnehmer(in) bestätigt, dass er/sie von den geltenden Tarifverträgen für den Bayerischen Einzelhandel Kenntnis genommen hat; sie stehen jederzeit zur Einsicht zur Verfügung; dies gilt auch für die Betriebsordnung. Die Bestimmungen dieses Vertrages gehen den allgemeinen tariflichen und betrieblichen Bestimmungen vor, soweit diese nicht zwingend sind.
II. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ist durch die tarifvertraglich festgelegten Ausschlussfristen begrenzt.”
Beim Abschluss des Arbeitsvertrages wurde ein Musterarbeitsvertrag des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels verwendet.
Im Jahre 1995 und in den Folgejahren waren die Tarifverträge des Bayerischen Einzelhandels allgemeinverbindlich. Die Allgemeinverbindlichkeit des Gehaltstarifvertrages endete 1999, die des Manteltarifvertrages 2000.
Mit Schreiben vom 15.4.2003 erklärte die Beklagte gegenüber dem Landesverband des Bayerischen Einzelhandels gemäß § 4 a der LBE-Satzung den Ausschluss der Tarifbindung. Diese Erklärung wirkte zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge.
Der neue Gehaltstarifvertrag vom 25.7.2003, der zum 1.5.2003 in Kraft trat, beinhaltete u.a. eine Erhöhung der Tarifvergütung zum 1. August 2003, die für die Klägerin monatlich EUR 35,– ausgemacht hätte. Die im gleichen Tarifvertrag geregelte weitere Entgelterhöhung ab August 2004 hätte bei der Klägerin – bezogen auf die Vergütung von August 2003 – EUR 71,– monatlich betragen. Die Beklagte gab beide Tariferhöhungen nicht an die Klägerin weiter. Unstreitig war sie beim Inkrafttreten des neuen Gehaltstarifvertrages zum 1.5.2003 nicht mehr tarifgebunden.
Mit Schreiben vom 18.10.2006 wandte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wegen eines zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits an den Beklagtenvertreter und teilte mit, im Laufe der Jahre hätten sich tarifvertraglich Erhöhungen ergeben, die die Klägerin nicht erhalten habe. Es sei daher anhand der jeweils geltenden Gehaltstarifverträge für die Vergangenheit abzurechnen und der sich ergebende Nettobetrag der Klägerin zu zahlen.
Mit ihrer am 27.12.2006 beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen und der Beklagten am 4.1.2007 zugestellten Klage hat die Klägerin die Tariflohnsteigerungen von August 2003 bis September 2006 geltend gemacht. Sie meint, angesichts der vertraglichen Bezugnahme der Tarifverträge des Bayerischen Einzelhandels stehe ihr ab August 2003 die erhöhte tarifliche Vergütung zu. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag könne nicht als Gleichstellungsabrede angesehen werden, da der Tarifvertrag bei Abschluss des Arbeitsvertrages für allgemeinverbindlich erklärt gewesen sei.
Dagegen sieht die Beklagte in der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge des Bayerischen Einzelhandels eine bloße Gleichstellungsabrede, die mit dem Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung für die Beklagte keine Bedeutung mehr habe.
Mit Endurteil vom 17.10.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung von insgesamt EUR 2.195,– nebst Zinsen abgewiesen. § 17 Abs. 1 des Arbeitsvertrages begründe keinen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der jeweiligen tariflichen Vergütung. Die für sich als dynamische Verweisung zu lesende Inbezugnahme der Tarifverträge des Bayerischen Einzelhandels stelle eine bloße Gleichstellungsabrede dar. Damit erfasse sie nicht mehr den nach dem Austritt der Beklagten aus der Tarifbindung abgeschlossenen Gehaltstarifvertrag. Die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gleichstellungsabrede beruhe auf der Annahme, mit der Bezugnahmeklausel im Formulararbeitsvertrag eines tarifgebundenen Arbeitgebers solle nur die auf Arbeitnehmerseite ggf. fehlende Tarifgebundenheit ersetzt werden. Für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer solle der Inhalt des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, der für tarifgebundene ohnehin gelt...