Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der Bezugnahme auf eine nicht allgemein bekannt gemachte Regelung in einer Dienstvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Eine Regelung in einer Dienstvereinbarung, die auf eine nicht allgemein zugängliche, den Beschäftigten auch nicht bekannt gemachte und auch der Dienstvereinbarung nicht angeheftete andere Vereinbarung Bezug nimmt, ist wegen Verstoßes gegen das auch für eine Dienstvereinbarung nach dem BayPersVG geltende Schriftformgebot unwirksam. Soweit (Gesamt-)Personalrat und Arbeitgeber in der Dienstvereinbarung eine salvatorische Klausel vereinbart haben, betrifft die Unwirksamkeit allein die entsprechende Formulierung, nicht aber die gesamte Dienstvereinbarung.
Normenkette
BayPersVG Art. 73
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 28.09.2011; Aktenzeichen 19 Ca 3630/11) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.09.2011 - 19 Ca 3630/11 - unter Abweisung der Berufung im Übrigen - abgeändert.
II. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers, seine bis 31.12.2009 erworbenen Versorgungsansprüche gemäß Dienstvereinbarung vom 19.11.2011 in die Versorgungsordnung 2010 zu überführen und ihn ab 01.01.2010 nach der Versorgungsordnung 2010 zu versichern, anzunehmen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Klägers 1/10, die Beklagte 9/10.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung des Klägers, in ein anderes Versorgungssystem der Beklagten zu wechseln.
Der Kläger war bei der Beklagten, einer Bank, vom 1. Juli 1999 bis 31. Dez. 2010 bei einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € ... beschäftigt. Er hatte Versorgungsanwartschaften nach den damals geltenden Richtlinien Versorgungskasse I ... GmbH erworben. Im Oktober 2009 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Aufhebungsvertrag, demzufolge sein Arbeitsverhältnis "auf Veranlassung der Bank aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dez. 2010" endete.
Am 19. Nov. 2009 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Gesamtpersonalrat eine "Dienstvereinbarung zur Umstellung der betrieblichen Altersversorgung", deren Ziff. II. zufolge ab 1. Jan. 2010 eine neue Altersversorgungsregelung in Kraft treten soll (Anlage K 1, Bl. 6 ff. d. A.; nachfolgend: Dienstvereinbarung). Deren Ziff. III. lautet auszugsweise:
"Anwartschaften gegenüber der Versorgungskasse
Vor dem 01.01.2002 eingetretene Beschäftigte können ihre Anwartschaft gegenüber der Versorgungskasse nach Maßgabe der folgenden Regelungen in die VO2010 überführen. Ausgenommen hiervon sind Beschäftigte, die nach der Vereinbarung "Strategie der ... - Personelle Veränderungsprozesse - vom 01.02.2008" - (Instrumentarium zum Personalabbau) eine Beendigungsvereinbarung abgeschlossen haben oder auf dieser Grundlage abschließen werden.
..."
Mit Schreiben vom 5. Jan. 2011 bestätigte die Beklagte dem Kläger eine unverfallbare jährliche Anwartschaft von € ..., woraus sich ein monatlicher Betrag von € 638,34 ergibt (Anlage K 2, Bl. 10 ff. d. A.). Mit einer E-Mail des Klägers vom 29. Okt. 2009 an Herrn M. von der Beklagten (Anlage K 3, Bl. 15 d. A.) fragte er wegen des Wechsels in eine andere Versorgungsordnung nach. Er empfand es als "große Benachteiligung", dass er von einem Wechsel ausgeschlossen sein sollte. Die Beklagte lehnte die Erteilung eines Wechselangebots an den Kläger ab (Anlage K 4, Bl. 16 d. A.).
Mit seiner am 30. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 5. Apr. 2011 zugestellten Klage vom 28. März 2011 verfolgt der Kläger den angestrebten Wechsel in eine andere Versorgungsordnung (VO2010) weiter.
Er hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, trotz des unterzeichneten Aufhebungsvertrages in die andere Versorgungsordnung wechseln zu können. Der Ausschluss des Wechsels bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages stelle eine ungerechtfertigte Benachteiligung dar.
Er hat b e a n t r a g t:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger anzubieten, seine Versorgungsanwartschaften - rückwirkend zum 01.101.2010 in die "Versorgungsordnung 2010" gemäß Dienstvereinbarung vom 10.11.2009 - zu überführen.
Hilfsweise
I. Die Beklagte wird verurteilt, die bis 31.12.2009 erdienten Anwartschaften des Klägers in der betrieblichen Altersversorgung ab dem 01.01.2010 nach den Regelungen der "Versorgungsordnung 2010" gemäß Dienstvereinbarung vom 19.11.2009 zu behandeln.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger so zu stellen, als ob er seinem Angebot zum Wechsel des Versorgungssystems gemäß Ziff. III. 2. fristgemäß zugestimmt hätte.
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Ausschluss des Wechsels gemäß Ziff. III. der Dienstvereinbarung.
Sie habe sich auf Grund einer wirtschaftlichen Notlage entschlossen, ihr Versorgungssystem umzustellen. Wegen der in der Gesamtschau erfolgenden Schlechterstellung bei einem Wechsel des Versorgungssystems zahle sie eine Wechselprämie als Ausgleich. Die Schmälerung ...