Entscheidungsstichwort (Thema)
Parallelentscheidung zu LAG Niedersachsen 17 Ta 125/23 v. 11.09.2023
Leitsatz (amtlich)
In den in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen findet das Urteilsverfahren statt (§ 2 Abs. 5 ArbGG), während über die in § 2a ArbGG genannten Arbeitssachen im Beschlussverfahren zu befinden ist (§ 2a Abs. 2 ArbGG). Maßgebend für die Bestimmung der zutreffenden Verfahrensart ist der Streitgegenstand. Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 2a Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 78 S. 2; GVG § 17 Abs. 2 S. 1; ArbGG § 48 Abs. 1; BGB § 611a Abs. 2; BetrVG § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 14.06.2023; Aktenzeichen 1 BV 5/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 14.06.2023 - - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Vorabentscheidungsverfahren über die zutreffende Verfahrensart.
Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Antragsteller) ist seit dem 01.04.2006 Mitglied in dem bei der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Betrieb A-Stadt gebildeten Betriebsrat. Er ist für die Amtsausübung freigestellt. Im Zeitpunkt seiner Amtsübernahme wurde der Antragsteller nach Lohngruppe 6 (heute EG4C) vergütet. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit wurde zum 01.01.2013 auf 37,5 Stunden und ab dem 01.04.2016 auf 39 Wochenstunden angehoben.
Mit Schreiben vom 24.01.2023 teilte der Arbeitgeberin dem Antragsteller mit, man müsse aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) die Vergütung des Antragstellers überprüfen und gegebenenfalls rückwirkend für Oktober 2020 bis Januar 2023 eine Korrektur vornehmen. Mit Schreiben vom 08.03.2023 erklärte die Arbeitgeberin, er werde von EG 10 B auf EG 4C rückgruppiert. Seine Arbeitszeit betrage ab dem 01.03.2023 von 39 Stunden pro Woche.
Der Antragsteller hat folgende Anträge angekündigt:
1.
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den Beteiligten zu 1. dadurch i.S.d. § 78 S. 2 BetrVG zu benachteiligen, dass die Beteiligte zu 2.
a)
den Beteiligten zu 1. nach Rückgruppierung seit dem 01.02.2023 nach EG 4 C und nicht weiterhin mindestens nach EG 10 B vergütet,
b)
zur Ermittlung des Lohnausfalls des Beteiligten zu 1. eine Vergleichsgruppe aus Montageschlossern und nicht folgenden Sachbearbeitern Gewährleistung (SASWH)
o C. R.
o H. O.
o F. L.
o I. Ü.
o L. P.
o D. A.
o A. St.
o K. W.
hilfsweise hierzu vergleichbaren Sachbearbeitern Gewährleistung (SASWH), hilfsweise hierzu Segmentfachkräften/Gruppenführern zu Grunde legt,
c)
seit dem 01.03.2023 für den Beteiligten zu 1. nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 39 Stunden/Woche sondern eine Arbeitszeit von 35 Stunden/Woche zu Grunde legt,
2.
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den Differenzbetrag zwischen EG 10 B und EG 4 C in Höhe von 5.173,60 EUR brutto rückwirkend für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 entsprechend der Rückgruppierung nach Ziff. 1 a) mit Vergütungsansprüchen des Beteiligten zu 1. aufzurechnen.
3.
der Beteiligten zu 2. für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtungen nach Ziff. 1 a) - c) sowie für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach Ziff. 2 jeweils ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
4.
die Beteiligte zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG zu verpflichten an den Beteiligten zu 1. für die Monate Februar 2023 bis April 2023 jeweils 1.293,40 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2023 auf 1.293,40 EUR, seit dem 01.04.2023 auf 1.293,40 EUR und seit dem 01.05.2023 auf 1.293,40 zu zahlen.
5.
der Beteiligten zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG aufzugeben, die Vergütung des Beteiligten zu 1. für die Monate Dezember 2022 bis April 2023 benachteiligungsfrei zu ermitteln, Abrechnungen in Textform hierüber zu erteilen und sich hieraus ergebende Guthaben - unter Abzug der bereits abgerechneten und bezahlten Vergütung - zu zahlen.
6.
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Sprungrechts-beschwerde zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.
Das Arbeitsgericht hat die gewählte Verfahrensart des Beschlussverfahrens von Amts wegen mit Beschluss vom 14.06.2023, dem Antragsteller zugestellt am 29.06.2023, für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit in das Urteilsverfahren verwiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 05.07.2023 sofortige Beschwerde eingelegt. Er begehrt die Zurückverweisung in das Beschlussverfahren als zulässige Verfahrensart.
Der Antragsteller trägt vor, er begehre die Unterlassung von Benachteiligungen im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG sowie Schadenersatz (Naturalrestitution) wegen Verletzung des Be...