Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung. Glauben. Treu. Unterrichtungsschreiben. Verwirkung. Verwirkung eines Anspruchs aus einzelvertraglich vereinbarten tariflichen Bestimmungen nach einem Günstigkeitsvergleich
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer disponiert durch seine Widerspruchlose Weiterarbeit in einer 38-Stunden-Woche ohne Lohnansprüche über einen längeren Zeitraum über die geltenden Arbeitsbedingungen nicht ohne Weiteres. Eine spätere Geltendmachung des Rechts kann auch in diesem Fall noch möglich sein. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Lüneburg (Urteil vom 01.02.2011; Aktenzeichen 5 Ca 17/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 01.02.2011 – 5 Ca 17/10 – teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der A. AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 Anwendung finden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, inwieweit tarifliche Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme neben Normen, die kraft Tarifbindung gelten, auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden und ob die Geltendmachung dieses Rechts nach zweieinhalbjähriger Untätigkeit verwirkt ist. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien um die Gutschrift von Überstunden und die Zahlung von Vergütung.
Der Kläger, Mitglied der Gewerkschaft B., ist seit Januar 1975 in der Niederlassung A-Stadt bei der Beklagten bzw. bei ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Er ist freigestelltes Betriebsratsmitglied. Sein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 30. Januar 1975, der seinerzeit mit der Deutschen Bundespost geschlossen wurde, enthält folgende Vereinbarung:
„Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.”
Bereits im Jahre 1990 entstanden im Zuge der sog. Postreform I aus der Deutschen Bundespost die einzelnen Geschäftsbereiche – sog. öffentliche Unternehmen – Postdienst, Postbank und Fernmeldedienst, die nach wie vor (Teil-)Sondervermögen des Bundes bildeten. Der Kläger verblieb im Geschäftsbereich Deutsche Bundespost – Fernmeldedienst (ab 1992 Deutsche Bundespost – C.). Die Geschäftsbereiche wurden bei der sog. Postreform II durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 – Postumwandlungsgesetz) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich Fernmeldebau- und Werkstättendienst, in dem der Kläger tätig gewesen war, entstand die A. (nachfolgend A. AG). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 1. Januar 1995 auf die A. AG übergeleitet.
Die A. AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die die zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen „Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost” (nachfolgend TV Arb) für den Bereich der A. AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und auch noch nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems – NBBS” zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS.
Im Jahre 2007 gründete die A. AG drei D.-Service Gesellschaften, darunter die Beklagte. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging infolge Betriebsübergangs mit dem 25. Juni 2007 auf diese über. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die jeweiligen Tarifverträge der Deutschen Bundespost und später die der A. AG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewendet. Die Beklagte schloss ebenfalls am 25. Juni 2007 mit der Gewerkschaft B. Haustarifverträge ab, darunter den Manteltarifvertrag (MTV DTTS) und den Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS), die von den Tarifverträgen der A. AG jedenfalls bei der Arbeitszeit und beim Entgelt Abweichungen enthalten. Mit einem Unterrichtungsschreiben vom 17. Juli 2007 der Beklagten und der A. AG, auf das Bezug genommen wird (Bl. 56 bis 63 d. A.), wurde der Kläger über den Betriebsübergang und seine rechtlichen Folgen informiert. In dem Schreiben heißt es zu Ziffer II. 2b) dd):
„Ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs 38 Stunden sofern Sie Vollzeitarbeitnehmer sind. Haben Sie bei der A. AG bisher 34 Wochenstunden in Vollzeit gearbeitet, wird Ihre Arbeitszeit ohne Lohnausgleich auf 38 Wochenstunden angehoben”.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2010 machte der Kläger erfolglos Ansprüche nach den vormals bei der A. AG bestehenden Tarifverträgen geltend, soweit sie günstiger als die tariflichen Regelungen der DTTS sind. Insbesondere begehrte er, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nur 34 Stunden beschäftigt zu werden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Feststellungsant...