Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlanfechtung. Wahlbeeinflussung. leitende Angestellte

 

Leitsatz (amtlich)

1) § 5 Abs. 3 BetrVG stellt dabei in keiner Stelle auf die persönliche Entwicklung eines Arbeitnehmers ab und seine Kenntnisse und Erfahrungen, die er aufgrund politischer oder anderer Aufgabenwahrnehmung erlangt hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, wie der Arbeitgeber seine Betriebsratsmitglieder sieht „auf gleicher Augenhöhe”). Für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung regelt § 5 Abs. 3 BetrVG, ergänzt durch die Hilfskriterien des Abs. 4, die Voraussetzungen für das Vorliegen eines leitenden Angestellten abschließend.

2) Zu den Voraussetzungen einer Wahlbeeinflussung nach § 20 BetrVG und Abgrenzung zu zulässiger Wahlwerbung

3) zu § 2 Abs. 5 WO: hinreichende Unterrichtung ausländischer Arbeitnehmer über die Wahlvorschriften

4) Die rein abstrakte und hypothetische Möglichkeit einer Verletzung einer Wahlvorschrift löst die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht aus. Erforderlich ist, dass die Antragsteller in ihrem Antrag einen Sachverhalt darlegen, der möglicherweise die Ungültigkeit der durchgeführten Wahl begründen kann, der also nicht schon auf den ersten Blick erkennbar ganz unerheblich ist. Der Sachverhalt muss Anlass zur Ansicht geben können, es sei bei der Wahl gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen worden.

 

Normenkette

BetrVG § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Beschluss vom 07.11.2006; Aktenzeichen 7 BV 4/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 7) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.11.2006 – 7 BV 4/06 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Anfechtung der Betriebsratswahl im Werk A-Stadt der Beteiligten zu 10) am 29. und 30.03.2006. Das Wahlergebnis wurde durch den Wahlvorstand am 12.04.2006 bekannt gemacht.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer sind im Werk A-Stadt der V. beschäftigte Arbeitnehmer. Von den Beteiligten zu 1) – 8) haben nur 7 Arbeitnehmer Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 9) ist der gewählte Betriebsrat der V. im Werk A-Stadt; die Beteiligte zu 10) ist die V. und Arbeitgeberin.

Der Vorsitzende des Betriebsrates der V. war – wie auch bereits in der vorangegangenen Wahlperiode – Herr G. L.. Er trat am 09. August 2007 von diesem Amt zurück. Seitdem ist Vorsitzender Herr S.. Herr L. war bereits im Zeitpunkt der Betriebsratwahl Landtagsabgeordneter. Er war langjährig freigestelltes Betriebsratsmitglied im Werk A-Stadt.

Im Vorfeld des Wahlanfechtungsverfahrens stritten u.a. die Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung über das Bestehen des aktiven und passiven Wahlrechtes des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden G. L.. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Auf den Beschluss vom 07.03.2006 in dem Verfahren 7 BVGa 1/06 wird Bezug genommen.

Zur Wahl standen fünf Listen, nämlich die Liste der IG-Metall, die Liste der Christlichen Gewerkschaft, „Die Alternative Liste”, die „Mister Brown's Liste”, und die Liste „Besser für alle – starke Opposition! – Oppositionsliste”. 14.800 Arbeitnehmer waren wahlberechtigt, wovon 12.051 eine Stimme abgaben, von denen 11.751 gültig waren. Auf den Inhalt der Bekanntmachung der Betriebsratswahl 2006 vom 12.04.2006 wird verwiesen (Bl. 28 und 29 d. A.).

Am 20.02.2006 erfolgte durch den Wahlvorstand die Auslosung der Ordnungsnummern der Listen auf den Wahlzetteln. Die Auslosung erfolgte öffentlich. Es wurden in einen Karton fünf Umschläge mit den Namen der einzelnen Listen gelegt, der Karton geschüttelt und das Mitglied des Wahlvorstandes Herr E. entnahm nacheinander die Umschläge und nummerierte sie. Die Umschläge wurden dann von dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes Herrn P. nacheinander geöffnet und der darin enthaltene Zettel vorgelesen. Die Liste der IG-Metall erhielt die Losnummer 1.

Am 11.03.2006 fand im Werk A-Stadt der Beteiligten zu 10) eine 50-Jahr-Feier statt, zu der alle Beschäftigten, ehemalige Arbeitnehmer sowie die Anwohner eingeladen waren (schätzungsweise 70.000 Personen). Dem Betriebsrat wurde ein Saal zu Verfügung gestellt, in dem sich dieser und die Ausschüsse des Betriebsrates präsentierten, wobei der Beteiligte zu 1), obwohl schon zum damaligen Zeitpunkt Betriebsratsmitglied, nicht anwesend war. Der IG-Metall war als im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Erlaubnis gegeben worden, sich mit einem eigenen Stand mit externen Gewerkschaftssekretären zu präsentieren. Andere Gewerkschaften waren nicht mit einem eigenen Stand vertreten. Der Grund hierfür ist zwischen den Beteiligten streitig. Die zur Betriebsratswahl aufgestellten Listen hatten keinen eigenen Stand.

Am 21.03.2006 fand eine Betriebsversammlung statt, für deren Verlauf auf Seite 2 und 3 des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 07.11.2006 verwiesen wird. Der Antragsteller zu 1) erhielt erst gegen Ende der Betriebsversammlung das Rederecht; er hatte seinen Redebeitrag relativ spät angemeldet.

Während der Durchführung der Wahl waren alle Wahlurnen mit einem Vorhäng...

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