Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung eines Einigungsstellenspruchs über einen Sozialplan nach gerichtlicher Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmtheit eines Antrages auf Durchführung eines Sozialplans.
2. Der Betriebsrat kann nicht im Wege des Durchführungsanspruchs nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Abrechnung und Auszahlung der den begünstigten Arbeitnehmern zustehenden Sozialplanabfindungen durchsetzen.
3. Ob der Betriebsrat auch die (vorläufige) Durchführung eines Spruchs der Einigungsstelle verlangen kann, der nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG angefochten ist, bleibt unentschieden.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1, § 76 Abs. 5 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 22.09.2010; Aktenzeichen 2 BV 2/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 22.09.2010 – 2 BV 2/09 – abgeändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um die Durchführung und Umsetzung eines Sozialplanes, der durch Spruch der Einigungsstelle vom 16.01.2009 zustande gekommen ist. Diesen Spruch der Einigungsstelle hat die Arbeitgeberin in dem Verfahren 2 BV 1/09 = 11 TaBV 88/10 wegen Ermessensüberschreitung angefochten. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 22.09.2010 dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und der Arbeitgeberin aufgegeben, den Spruch der Einigungsstelle vom 16.01.2009 über einen Sozialplan durchzuführen und umzusetzen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, trotz des gleichzeitig noch anhängigen Anfechtungsverfahrens fehle dem Betriebsrat nicht das Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag. Es habe insofern in beiden Beschlussverfahren nur einheitlich entschieden werden können. Erweise sich der Spruch als wirksam, so sei er auch durchzuführen. In dem Parallelverfahren 2 BV 1/09 habe sich die Wirksamkeit des Spruches herausgestellt. Im Übrigen habe der Antragsteller nicht in unzulässiger Weise individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf konkrete Abfindungszahlungen gelten gemacht, die diese im Urteilsverfahren einklagen müssten und auch schon eingeklagt haben. Wegen der von der Arbeitgeberin geltend gemachten Ermessensüberschreitung gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG hat das Arbeitsgericht mit gleicher Würdigung wie in dem Verfahren 2 BV 2/09 den Spruch der Einigungsstelle für wirksam erachtet.
Gegen diese ihr am 08.11.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beteiligte zu 2) am 08.11.2010 Beschwerde eingelegt und diese am 22.12.2010 begründet.
Zur Begründung führt die Beteiligte zu 2) aus, da das Anfechtungsverfahren rechtlich vorgreiflich sei, habe die Antragstellerin für ihren Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis gehabt. Ferner habe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts der Betriebsrat in unzulässiger Weise individualrechtliche Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer auf konkrete Abfindungen geltend gemacht, obwohl diese bereits im Urteilsverfahren eingeklagt worden sind. Ferner teile die Beschwerdeführerin nicht die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts, wonach die Anfechtung eines Einigungsstellenspruches grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung habe. Etwa in dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18.05.2010 gehe es um die Durchführung einer wirksamen Betriebsvereinbarung. Vorliegend sei der Einigungsstellenspruch jedoch offensichtlich ermessensfehlerhaft und rechtsunwirksam gewesen.
Die Einigungsstelle habe die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens bei der Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer überschritten. Das Arbeitsgericht habe einerseits unrichtige Tatsachen zugrunde gelegt, die nicht entscheidungsrelevant seien, andererseits den nach § 8 ArbGG bestehenden Amtsermittlungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet. Im Einzelnen wird insoweit auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung verwiesen. Die Bet. zu 2) rügt ferner in diesem Zusammenhang die Besetzung der Kammer mit der beisitzenden Richterin Frau M. V..
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg – 2 BV 2/09 – abzuändern und den Antrag des Antragstellers und Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass nunmehr beantragt wird, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Spruch der Einigungsstelle vom 16.01.2009 über einen Sozialplan hinsichtlich der Berechnung der Abfindungen durchzuführen und die sich aus der Berechnung ergebenden Beträge an die berechtigten Arbeitnehmer auszuzahlen.
Die zentrale Frage, mit der sich das Arbeitsgericht Oldenburg auseinanderzusetzen gehabt habe, sei die Frage nach der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplanes gewesen. Diese Ermessensgrenze sei von der Einigungsstelle aber zutreffend beachtet worden. Wegen der dargestellten Auswirkungen der Betriebsschließung auf die Arbeitnehmer wird im Einz...