Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellung der Zwangsvollstreckung. Nicht zu ersetzender Nachteil. Auslegung von § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Einstellung der Zwangsvollstreckung im arbeitsgerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen arbeitsgerichtliche Titel für den Gläubiger schnell und unkompliziert durchzusetzen sein. Dieser Grundsatz darf nicht durch eine allzu großzügige Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG aufgeweicht werden.

2. Das Ermessen des Gerichts ist insoweit eingeschränkt, als ohne die Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zu unterbleiben hat.

3. Bei Vollstreckung wegen Geldforderungen ist ein nicht zu ersetzender Nachteil nur in Ausnahmefällen denkbar. Weder genügt eine mögliche Kreditgefährdung noch die drohende Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung als solche. Sind die Erfolgsaussichten der Berufung offen, führt auch das nicht zu der Annahme eines nicht zu ersetzenden Nachteils. Das gilt im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch dann, wenn der Vollstreckungstitel ohne Zutun des Gläubigers prozessordnungswidrig zustande gekommen ist.

 

Normenkette

ArbGG § 62 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 07.10.2008; Aktenzeichen 6 Ca 187/08)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin vom 12. Januar 2009 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 7. Oktober 2008 – 6 Ca 187/08 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Arbeitsgerichts, das sie auf die Widerklage zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verurteilt hat.

Die Klägerin war seit dem 1. Juli 2005 als Pflegehelferin bei dem Beklagten beschäftigt. Während zunächst eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden bei einer monatlichen Bruttovergütung von 1.500,00 Euro vereinbart war, ergänzten die Parteien den Arbeitsvertrag am 1. August 2005 dahin, dass die Wochenarbeitszeit nur noch 30 Stunden und die Monatsvergütung noch 1.125,00 Euro brutto betragen sollten. Diese Neuregelung fand auch Eingang in den schriftlichen, am 30. Juni 2006 geschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien. Dieser enthält darüber hinaus eine Regelung, der zufolge alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit ihrer Fälligkeit geltend zu machen und bei Nichterfüllung binnen weiterer zwei Monate einzuklagen sind. Auch in der Folgezeit erhielt die Klägerin monatlich 1.500,00 Euro brutto als Vergütung. Im April 2008 und danach sprachen beide Parteien außerordentliche Kündigungen des Arbeitsverhältnisses aus.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen und die Wirksamkeit ihrer eigenen Kündigung geltend gemacht, Vergütung für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 16. Mai 2008 als Entgeltfortzahlung und Schadensersatz in Höhe von 19.500,00 Euro verlangt. Hilfsweise hat sie unter anderem die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung begehrt, die 18.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte. Wiederum hilfsweise dazu hat sie beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch ihre Kündigung vom 5. Juni 2008 aufgelöst worden ist, und Schadensersatz geltend gemacht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag in Höhe von 19.500,00 Euro nicht unterschreiten sollte. Ferner hat sie im gleichen Eventualverhältnis ein qualifiziertes Zeugnis begehrt.

Der Beklagte hat widerklagend Zahlung von 11.361,77 Euro brutto nebst Zinsen geltend gemacht und hierzu vorgetragen, er habe am 1. April 2008 bemerkt, dass die Klägerin seit dem 1. August 2005 eine um monatlich 375,00 Euro brutto zu hohe Vergütung beziehe. Die Klägerin habe seit dem 1. August 2005 regelmäßig nicht mehr als 30 Wochenstunden gearbeitet. Im Falle höherer Stundenzahlen sei sie in der Folgezeit entsprechend freigestellt worden.

Im Termin zur Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 4. September 2008 hat ausweislich der Sitzungsniederschrift im Anschluss an die Stellung der Sachanträge der Klägervertreter den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Daraufhin ist beschlossen und verkündet worden, weitere Veranlassung werde von Amts wegen ergehen. Mit Beschluss vom 16. September 2008 hat das Arbeitsgericht das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 29. September 2008 hat der Vorsitzende Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 7. Oktober 2008 anberaumt. An diesem Tage ist ein Urteil verkündet worden, das unter anderem die Klägerin auf die Widerklage verurteilt hat, an den Beklagten 11.363,77 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Dieses Urteil ist der Klägerin am 14. Oktober 2008 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 10. November 2008 gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 30. Dezember 2008 begründet.

Zur Begründung ihres Antrages a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?