Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Einstellung. Leiharbeitnehmer. Zustimmungsverweigerungsrecht. Zustimmungsersetzung. Zulässigkeit und Sanktionierung der unbefristeten Beschäftigung von Leiharbeitnehmern
Leitsatz (amtlich)
1. Der Dauerverleih von Arbeitnehmern im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist seit der Neufassung des AÜG vom 20.12.2011 (BGBl I. S. 2854), mit dem die Richtlinie 2008/104/EG umgesetzt wurde, unzulässig.
2. Beabsichtigt der Arbeitgeber die unbefristete Einstellung einer Arbeitnehmerin auf einem sog. Dauerarbeitsplatz, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Gesetzesverstoßes verweigern.
3. Stellt der Arbeitgeber grundsätzlich nur noch Leiharbeitnehmer ein, um eine Senkung der Personalkosten zu erreichen, so kann dies unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalls als institutioneller Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. In einem solchen Fall kann nicht festgestellt werden, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 3; BetrVG § 100 Abs. 2 S. 3, § 99 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 26.10.2011; Aktenzeichen 7 BV 12/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 26.10.2011 abgeändert.
Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur unbefristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin M. R. (die zuvor M. K. hieß) sowie die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.
Hintergrund des Streits der Beteiligten ist die grundsätzliche Frage, ob der bei der Antragstellerin gebildete Betriebsrat die Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern deshalb verweigern kann, weil diese dauerhaft auf (Stamm-) Arbeitsplätzen eingesetzt werden sollen. Nachdem die Antragstellerin, die die A-Zeitung und verschiedene Regionalausgaben für andere Umland-Städte verlegt und derzeit 272 Stammmitarbeiter sowie 55 Leiharbeitnehmer beschäftigt, zunächst im Jahr 2005 damit begonnen hatte, die zuvor mit Abrufkräften besetzten Arbeitsplätze in der Rotationsendverarbeitung dauerhaft mit Leiharbeitnehmern zu besetzen, teilte sie dem Betriebsrat im Dezember 2006 mit, dass sie beabsichtige, ab dem 01.04.2007 alle neu zu besetzenden Stellen nur noch über Leiharbeit zu besetzen. Dies solle über die Fa. B. GmbH & Co. KG (Fa. B.), ein Leiharbeitsunternehmen an dem die Antragstellerin als Gesellschafterin zu 30% beteiligt ist, erfolgen. Die Arbeitgeberin begründete das mit einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, die Kosteneinsparungen aufgrund des sich verschärfenden Wettbewerbs unumgänglich mache. Durch die Besetzung der frei werdenden Stellen im Unternehmen der Antragstellerin mit Leiharbeitnehmern solle eine notwendige Strukturveränderung der Personalkosten erzielt werden, ohne dass dies für bestehende unbefristete Arbeitsverhältnisse bei der Antragstellerin zu nachteiligen Veränderungen führe. In der Folgezeit wurden hiervon für den Redaktionsbereich Ausnahmen gemacht. Im Nachgang der hier streitbefangenen Einstellung hat die Antragstellerin auch einzelne befristete Einstellungen von Leiharbeitnehmern über die Fa. B., die außerdem auch Arbeitnehmer an die ebenfalls zur C-Mediengruppe gehörende und unternehmensrechtlich verselbständigte Druckerei der Beteiligten zu 1) verleiht, vorgenommen. Mit der Fa. B. hat die Antragstellerin eine Vereinbarung getroffen, wonach bei einem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses die von der Fa. B. ausgeliehenen Arbeitnehmer zu dieser zurückkehren.
Unter dem 04.05.2011 führte die Antragstellerin eine unternehmensinterne Stellenausschreibung für den Bereich Personal und Recht durch, mit der sie zur Beschäftigung über die Fa. B. einen Personalreferent (m/w), Schwerpunkt Recruiting, suchte (Anl. 1 zur Antragsschrift, Bl. 6 d. A.). Mit Schreiben vom 22.06.2011 (Anl. 2 zur Antragsschrift Bl. 7 d. A.) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über ihre Absicht, ab dem 01.07.2011 Frau M. K. im Wege der Arbeitnehmerüberlassung über die Fa. B. unbefristet für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz einzustellen. Der beteiligte Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit am selben Tag bei der Personalabteilung eingegangenen Schreiben vom 29.06.2011 (Anl. 3 zur Antragsschrift Bl. 8 d. A.). Zur Begründung führte er auszugsweise wörtlich aus:
"Der dauerhafte Einsatz von Arbeitnehmerüberlassungen widerspricht grundsätzlich Absicht, Sinn und Zweck des AÜG. Der Gesetzgeber wollte nur den konkreten Zeitrahmen nicht mehr festschreiben. Eine dauerhafte Ausleihe/Einstellung zu anderen Tarifen war nicht vorges...