Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsvereinbarung. Dienstplan. Einigungsstelle. Mitbestimmung. Verzicht. Anfechtung des Einigungsstellenspruch über Dienstplanaufstellung und -änderung
Leitsatz (amtlich)
Eine Betriebsvereinbarung über die Aufstellung und Änderung von Dienstlänen, die keine eigenen Grundsätze und Kriterien zur Verteilugn der Dienste auf die Arbeitnehmer vorsieht, kann die Erstellung des Dienstplanes nicht allein dem Arbeitgeber übertragen und die Mitwirkung des Betriebsrates auf ein Widerspruchsrecht mit anschließender Möglichkeit der Anrufung der Eingigungsstelle beschränken. Das gilt jedenfalls dann, wenn die verfahrensmäßige Ordnung zur Aufstellung der Dienstpläne, die anstelle der materiellen Regelung treten soll, nicht sicherstellt, dass ein mitbestimmter Dienstplan bis zum Beginn der nächsten Dienstplanperiode aufgestellt ist. Ein Spruch der Einigungsstelle mit diesem Inhalt ist unwirksam, weil er einen unzulässigen Verzicht des Betriebsrates beinhaltet.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 87 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Beschluss vom 08.03.2011; Aktenzeichen 2 BV 31/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.03.2011, 2 BV 31/10, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin, Beteiligte zu 2) und Arbeitgeberin betreibt ein Klinikum mit etwa 365 Betten. Der Beteiligte zu 1) ist der im Klinikum gewählte Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2) hat mit der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (Landesbezirk Niedersachsen/Bremen) den Manteltarifvertrag vom 23.01.2006 geschlossen, der als Anlage AG 1 zu Blatt 183 bis 223 der Akte gereicht ist. Er enthält in den §§ 9 ff. Regelungen zur Arbeitszeit. § 9 Nr. 1 in der maßgeblichen Fassung vom 31.07.2007 lautet:
„Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich.
Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 6 Monaten zugrunde zu legen.”
Die frühere „Betriebsvereinbarung über Grundsätze der Erstellung von Dienstplänen” vom 10.04.2008 war von der Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 23. 09. 2009 zum 31.12.2009 gekündigt worden. Zwischen den Beteiligten ist ein Beschlussverfahren anhängig, in dem der Beteiligte zu 1) verschiedene Unterlassungsanträge im Zusammenhang mit der Dienstplanerstellung und Dienstplanänderung auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 10.04.2008 gestellt hat. Das Verfahren ist bis zum rechtskräftigen Abschluss der Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27.06.2011 ausgesetzt (9 TaBV 4/10).
Das sich die Betriebsparteien auf eine neue Betriebsvereinbarung nicht verständigen konnten, wurde eine Einigungsstelle eingesetzt, welche am 08.09.2010 die Betriebsvereinbarung über Grundsätze der Erstellung von Dienstplänen durch Spruch beschloss, welche sich zu Blatt 25 bis 27 der Akte befindet. Sie enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 2 Gegenstand
1. Diese Betriebsvereinbarung legt die Grundsätze für die Erstellung und Änderung von
Dienstplänen und damit die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen
Wochentage für die Beschäftigten fest.
2. …
§ 3 Grundsätze
1. Der Dienstplan ist so zu erstellen, dass eine umfassende und kontinuierliche Patientenversorgung und -betreuung in hoher Qualität gewährleistet ist. Dienstpläne sind so aufzustellen, dass die Sorge für das Wohl der Kranken mit dem Anspruch der Arbeitnehmer auf geregelte Freizeit und Erholung in bestmöglichen Einklang gebracht wird.
2. Der Ausgleichszeitraum und Berechnungszeitraum richtet sich nach den jeweils gem. § 9 Abs. 1 MTV zulässigen Höchstzeiträumen.
Der Ausgleichszeitraum und Berechnungszeitraum beträgt nach der am 31.07.2007 parafierten Änderung von § 9 Nr. 1 MTV vom 23.01.2006 in der Regel sechs Monate.
Dementsprechend wird für Vollzeitkräfte ein Ausgleichszeitraum und Berechnungszeitraum von sechs Monaten und für Teilzeitkräfte ein Ausgleichs- und Berechnungszeitraum von drei Monaten vereinbart.
Innerhalb des Zeitraums von sechs Monaten (zwischen dem 01.04. und 30.09. bzw. 01.10. und 31.03. des Folgejahres) bzw. von drei Monaten (jeweils zwischen den Quartalsenden) muss das Verhältnis zwischen Soll- und Ist-Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer mindestens zu einem Tage ausgeglichen sein.
Die Einhaltung dieser Regelung ist gegenüber dem Betriebsrat halbjährlich und zwar jeweils zum 31.03. und 30.09. zu dokumentieren.
Den Beschäftigten ist der konkrete Zeitpunkt des Ausgleichs zwischen der individuellen Soll- und Ist-Arbeitszeit ebenfalls mitzuteilen.
Soweit der Zeitausgleich nicht erreicht wird, werden die zum Ablauf der Ausgleichszeiträume vorhandenen Plusstunden innerhalb des folgenden Kalendermonats dienstplanmäßig durch Gewährung entsprechender Freizeit ausgeglichen.
Diese Re...