Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung. Glaubhaftmachung des Verlustes
Leitsatz (amtlich)
Macht ein Gläubiger durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft, dass er zu keinem Zeitpunkt die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils mit ei- nem Zahlungstitel gegen den Schuldner besessen hat, und versichert sein Anwalt zudem, dass er die Akte einschließlich der in seinem Besitz befind- lichen vollstreckbaren Ausfertigung vernichtet hat, nachdem Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus nachvollziehbaren Gründen aussichtslos erschienen und Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, hat er auf Antrag Anspruch auf Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung, auch nach über 25 Jahren.
Bloße Glaubhaftmachung reicht allerdings nicht aus, wenn der vor Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung anzuhörende Schuldner nachvollziehbar erwidert, die Klageforderung sei erfüllt, und er habe den daraufhin an ihn ausgehändigten Titel vernichtet. In diesem Fall muss der Gläubiger den Vollbeweis führen.
Normenkette
ZPO §§ 724, 733
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Beschluss vom 28.03.2002; Aktenzeichen 1 Ca 2524/76) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 28.03.2002 abgeändert. Dem Kläger ist eine zweite vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.03.1977 – 1 Ca 2524/76 – zu erteilen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung.
Der Beklagte wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.03.1977 zur Zahlung von 8.087,63 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.09.1976 verurteilt. Das Landesarbeitsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung durch Urteil vom 04.01.1978 zurück.
Mit Schriftsatz vom 06.02.2002 stellte der Kläger den Antrag gestellt, ihm eine zweite vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.03.1977 zu erteilen.
Der Kläger lässt mit anwaltlichem, von ihm mitunterzeichneten Schriftsatz vom 06.02.2002 auszugsweise Folgendes vortragen:
„Der Kläger kann die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils nicht mehr auffinden.
Recherche in der Kanzlei des Unterzeichners, der die Praxis des Rechtsanwalts St 1984 übernommen hat, ergab, dass die Handakte nicht verfügbar ist. Eine vollstreckbare Ausfertigung ist nicht vorhanden.
Der Kläger benötigt dringend zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zweite vollstreckbare Ausfertigung des Urteils … Er hat inzwischen Anschrift des Beklagten ermittelt.
Die Richtigkeit vorstehender Angaben werden durch den Kläger und den Unterzeichner an Eides statt versichert.”
Der Beklagte hat seinen Zurückweisungsantrag u.a. damit begründet, seine Eltern, die Eheleute E. und M. W., hätten seines Wissens nach Aufnahme eines Kredits bei dem inzwischen verstorbenen Makler S den Betrag in Höhe von ca. 7.900.- DM beglichen.
Demgegenüber hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.02.2002 behauptet, eine Zahlung von 7.900.- DM sei nicht bekannt. Die Forderung sei nicht erfüllt.
Das Arbeitsgericht Braunschweig hat den Antrag des Klägers auf Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung durch Beschluss vom 28.03.2002, auf dessen Begründung ergänzend Bezug genommen wird, mit der Begründung zurückgewiesen, der Klägervertreter habe lediglich glaubhaft gemacht, dass die vollstreckbare Ausfertigung bei Kanzleiübernahme nicht vorhanden gewesen sei. Er habe aber nicht den Verlust der Ausfertigung glaubhaft gemacht. Es müsse die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass die vollstreckbare Ausfertigung nach Zahlung eventuell an den Schuldner ausgehändigt worden sei. Es habe nicht zweifelsfrei geklärt werden können, ob die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom 08.03.1977 „nur” verlorengegangen, nicht aber zurückgegeben worden sei.
Der Beschluss ist dem Kläger am 04.04.2002 zugestellt worden. Zur Begründung seiner sofortigen Beschwerde vom 12.04.2002 behauptet der Kläger, der Beklagte habe die Forderung nicht erfüllt. Dieser könne eine angebliche Zahlung auch nicht durch Vorlage einer Quittung nachweisen. Mit eidesstattlicher Versicherung vom 23.04.2002, auf die wegen ihres vollständigen Inhalts Bezug genommen wird, macht der Kläger glaubhaft, dass die im Schriftsatz vom 23.04.2002 enthaltenen Angaben richtig seien. Ausdrücklich versichert er, er habe zu keiner Zeit durch die Rechtsanwälte St. und W. eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.03.1977 erhalten, sondern lediglich eine Abschrift. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien Anfang der 80er Jahre nicht weiterverfolgt worden.
Ergänzend legt der Kläger mit Schriftsatz vom 30.04.2003 ein Schreiben des „Wehrbereichsgebührenamts” vom 28.03.1980 vor, aus dem sich ergibt, dass „in der o.a. Forderungssache ab April 1980 vorerst keine Überweisungen mehr erfolgen können, weil z. Zt keine Dienstbezüge mehr gezahlt werden.” Der Kläger wurde deshalb zur Überweisung des ihm ...