Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdvergabe von Tätigkeiten einer Klinikpforte. Unbegründete Anträge des Betriebsrats zur Aufhebung und künftigen Unterlassung der Einstellung von Beschäftigten ohne Betriebsratsbeteiligung
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Bereich der Pforte eines Krankenhauses anfallenden Aufgaben sind hinreichend abgrenzbar und können im Rahmen eines Dienstvertrages auf ein Drittunternehmen übertragen werden.
2. Auch wenn eine Verzahnung der Tätigkeit in der Pforte mit anderen Tätigkeitsbereichen in der Klinik vorhanden ist und vorhanden sein muss, folgt daraus nicht, dass die Arbeitgeberin bezüglich der in der Pforte eingesetzten Mitarbeiter das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidungen über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft.
Normenkette
BetrVG §§ 99, 99 Abs. 1, § 101 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Göttingen (Entscheidung vom 01.08.2013; Aktenzeichen 1 BV 4/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Göttingen vom 01.08.2013, 1 BV 4/13, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einsatz von Mitarbeitern, die bei einer Drittfirma beschäftigt sind, in der Pforte des von der Arbeitgeberin betriebenen Krankenhauses eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG darstellt und ob dem Betriebsrat hierbei ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Die Arbeitgeberin betreibt in A-Stadt und E-Stadt psychiatrische Fachkliniken mit rund 1.100 Arbeitnehmern. Der Beteiligte zu 1 ist der für beide Kliniken gewählte Betriebsrat.
Ursprünglich bestand für beide Fachkliniken jeweils ein Empfang/Pforte/Informationsdienst (künftig nur "Pforte") mit 3-6 Arbeitnehmern in E-Stadt und den 3 Arbeitnehmern F., G. und H. in A-Stadt, die nunmehr in anderen Bereichen eingesetzt werden. Bis Ende Dezember 2012 kamen in diesen Bereichen zudem Arbeitnehmer eines Fremdunternehmens (N.) zum Einsatz, deren Tätigkeiten ab Januar 2013 durch Arbeitnehmer der O. GmbH ausgeführt werden.
Seit dem 29.03.2013 setzt die Arbeitgeberin keine eigenen Arbeitnehmer/innen mehr in dem Bereich Pforte ein. Die Pforte im Klinikum E-Stadt wurde aufgelöst, den bis dahin dort beschäftigten Mitarbeitern wurden andere Tätigkeiten zugewiesen. Die Aufgaben der Pforte im Klinikum A-Stadt werden seit diesem Zeitpunkt nur noch von Arbeitnehmern der O. GmbH erledigt, darunter die Arbeitnehmer I., J., K. und L..
Grundlage für den Einsatz dieser Mitarbeiter ist ein zwischen der Arbeitgeberin und der O. GmbH abgeschlossener Vertrag "Werkvertrag Pforte", der nicht in unterzeichneter Form vorliegt. Der schriftliche Entwurf (Bl. 42 - 57 d.A.), nach dem der Vertrag gelebt wird, enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 1 Vertragsgegenstand
Der Auftraggeber überträgt dem Auftragnehmer die regelhaft anfallenden Arbeiten am Empfang des AF A-Stadt.
Der Auftraggeber überträgt dem Auftragnehmer die
- Leitung der Hauptpforte
§ 2 Vertragsbestandteil
Als Vertragsbestandteile gelten:
1.1 AQR Handbuch Pforte
1.2 Leistungsbeschreibung
§ 3 Leistungen des Auftragsnehmers
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistungen fach- und fristgerecht auszuführen. Art und Umfang der Aufgaben sind in der Leistungsbeschreibung festgehalten. Darüber hinausgehende Arbeiten bedürfen der gesonderten schriftlichen Vereinbarung und Vergütung.
§ 4 Verpflichtungen des Auftragnehmers
Personal
Der Auftragnehmer stellt die erforderlichen Arbeitskräfte. Er verpflichtet sich dabei, zuverlässiges Personal einzusetzen.
...
§ 5 Verpflichtungen des Auftraggebers
...
Nutzung von Räumen und Betriebsmittel
Die zur Auftragserfüllung notwendigen Räume und Betriebsmittel werden dem Auftragnehmer unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
In der dem Vertragsentwurf beigefügten Leistungsbeschreibung (Bl. 48 d. A.) heißt es:
Empfang/Rezeption:
- Leitung der Hauptpforte durch eine Teamleitung
- Bedienung der zentralen Telefonanlage; Annahme, Beantwortung und Weitervermittlung von Telefonanrufen
- Eingangspost sortieren und weiterleiten
- Ausgangspost bearbeiten (frankieren, etc.)
- Patientenaufnahme (Kurzaufnahme) außerhalb der Dienstzeiten der zentralen Patientenaufnahme
- Ansprechpartner Patiententelefon einschließlich Hilfestellung zum Kassenautomaten
- Verkauf und Bestellung von Briefmarken und Kopfhörern für die Patienten
- Überwachung des Haupteinganges
- Bedienung der Brandmeldezentrale
- Alarmsteuerung bis zur Zusammensetzung der Krankenhauseinsatzleitung
- Führung und Abrechnung der Bargeldnebenkasse
- Wahrung von Ordnung und Sauberkeit im Verantwortungsbereich (ggf. Reinigung, Technik oder Verwaltungsleitung informieren, Auslagen und Flyer auffüllen, ordnen und ggf. aussortieren, etc.)
- Weiterleiten von Störungsmeldungen
- Schlüsselverwaltung (Ausgabe und Annahme von Schlüsseln)
- Zentrale Stelle für Fundsachen
- Kopierarbeiten, Faxarbeiten, kuvertieren und Versand von Postsendungen
- Erteilung von Wegbeschreibungen
- Unterstütz...