Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Überträgt ein Landkreis die nach dem nds. Rettungsdienstgesetz ihm zugewiesene Aufgabe des Rettungsdienstes durch Vertrag auf eine GbR, deren Mehrheitsgesellschafter er selbst ist, so findet in Bezug auf die Arbeitszeitrichtlinie Nr. 93/104/EG die sog. „vertikale Drittwirkung” statt.
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 15.02.2002; Aktenzeichen 6 Ca 150/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 15.02.02 – 6 Ca 150/01 -
wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der im Betrieb zulässigen Höchstarbeitszeit unter Einbeziehung von Bereitschaftsdienst sowie über die Zahlung von Überstundenvergütung und Wechselschichtzulagen für einen bestimmten Zeitraum.
Die Beklagte zu 1) betreibt den Rettungsdienst in der Rechtsform einer GbR; ihre Gesellschafter sind der Landkreis A…, der Kreisverband A… e. V. und der Regionalverband O… e. V. Der Kläger stand ursprünglich in einem Dienstverhältnis zu dem Beklagten zu 2). Mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Mai 2001 wurde eine Regelung dahingehend geschlossen, dass die bisher mit den einzelnen Gesellschaftern der Beklagten zu 1) abgeschlossenen Arbeitsverträge auf die GbR überführt werden. Zwischen der GbR und dem Betriebsrat der Rettungsdienst A… GbR wurde ein Personalüberleitungsvertrag nebst Betriebsvereinbarung zum Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die Rettungsdienst A… GbR geschlossen, in dem festgelegt ist, dass die Arbeitsverhältnisse der zum Stichtag im Rettungsdienst beschäftigten Mitarbeiter auf die GbR übergehen und diese gemäß § 613 a BGB in alle sich nach dieser Vorschrift ergebenden Rechte und Pflichten eintritt.
Die Beklagte zu 1) hat es übernommen, im Auftrage des Landkreises A… für ihr Gebiet die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport sicherzustellen. Hierzu betreibt sie insgesamt vier Rettungswachen im Kreisgebiet, die rund um die Uhr mit einem Rettungstransportwagen besetzt sind, der wiederum von einem Rettungsassistenten und einem Rettungssanitäter bedient wird. Darüber hinaus hat die Beklagte in Westerstede ein Notarzteinsatzfahrzeug im 24-Stunden-Dienst und bei zwei Rettungswachen Krankentransportwagen im 8-Stunden-Tagdienst stationiert. Die Mitarbeiter für Rettungstransportwagen und das Notarzteinsatzfahrzeug werden jeweils für 12-Stunden-Dienste von 07:30 Uhr bis 19:30 Uhr sowie von 19:30 Uhr bis 07:30 Uhr des Folgetages eingeteilt.
Dabei wurde die Anzahl der Schichten so gewählt, dass sie, bezogen auf einen Zeitraum von 26 Wochen, jeweils der Stundenzahl von 54 pro Woche entsprechen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist § 15 Abs. 2 b BAT, der inhaltlich § 14 Abs. 2 b DRK-Tarifvertrag entspricht, anwendbar.
In der Regel leistete der Kläger in der Vergangenheit im Monat zehn Schichten a 24 Stunden. Über einen Zeitraum von 26 Wochen arbeitete der Kläger durchschnittlich in einer 54-Stunden-Woche. Zu den Tätigkeiten des Klägers innerhalb der 24-Stunden-Dienste zählten neben der Notfallrettung im Einsatzfall weitere Tätigkeiten wie die Kontrolle nach dem Medizin-Produktegesetz, Reinigung und Wartung der Fahrzeuge, Einsatzbesprechungen, Dokumentation des Einsatzgeschehens und Desinfektionen, ferner bei Bedarf auch die Einarbeitung bzw. Unterrichtung von Zivildienstleistenden, ehrenamtlichen oder anderen Aushilfskräften. Während seines Dienstes ist der Kläger verpflichtet, sich in der Rettungswache aufzuhalten. Dabei stehen ihm in der Rettungswache Schlafmöglichkeiten zur Verfügung. Nach entsprechender Alarmierung durch die Rettungsleitstelle müssen die Mitarbeiter jederzeit unverzüglich ihren Dienst aufnehmen können. Aufgrund des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes hat der Rettungsdienst sicher zu stellen, dass in 95 % aller Einsätze in seinem Zuständigkeitsbereich ein Rettungsmittel innerhalb von 15 Minuten nach der Alarmierung am Einsatzort eintrifft.
In der Vergangenheit erhielt der Kläger seine Grundvergütung sowie im Rahmen der 24-Stunden-Dienste Nacht- und Feiertagszuschläge, ohne dass insoweit zwischen Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft bzw. tatsächlicher Arbeit differenziert wurde. Ferner erhielt der Kläger Verpflegungsmehraufwandsentschädigung nach dem § 4 der Anlage 2 zum DRK-TV (Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport).
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2000 wies der Kläger die Beklagte zu 1) auf die Unzulässigkeit von 24-Stunden-Schichten und 54-Stunden-Wochen hin und machte für die Vergangenheit die Differenz zwischen der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit von
38,5 Stunden und den tatsächlich angeordneten 54 Stunden als Überstundenvergütung zumindest dem Grunde nach geltend.
Der Kläger hat gemeint, die Anordnung einer 54-Stunden-Woche sei nicht zulässig, weil...