Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung bei aufnehmender Verschmelzung und Ablösung der Betriebsvereinbarung durch eine nach Betriebsübergang bei der Erwerberin abgeschlossenen Betriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch eine nach einem Betriebsübergang beim Erwerber abgeschlossene Betriebsvereinbarung, Besitzstandswahrung beim Betriebsübergang.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine neue Betriebsvereinbarung über denselben Regelungsgegenstand löst die Regelungen der älteren Betriebsvereinbarung auch dann ab, wenn diese für den Arbeitnehmer günstiger waren. Das gilt auch dann, wenn anlässlich einer Verschmelzung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eine Transformation der Ansprüche aus der Ruhegeldvereinbarung in das Individualarbeitsverhältnis des Arbeitnehmers stattgefunden hat, da Rechte aus einer Betriebsvereinbarung, die im Zuge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, vor einer Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung im Betrieb der Erwerberin nicht in weiterem Umfang geschützt sind, als wenn sie kollektivrechtlich weitergegolten hätten.
2. Auch einer zeitlich deutlich nach dem Betriebsübergang abgeschlossenen Betriebsvereinbarung kann verdrängende Wirkung zukommen.
3. Bestand für einen übernommenen Arbeitnehmer sowohl im übernommenen als auch im aufnehmenden Betrieb eine Versorgungszusage auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung, muss auch bei Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB der bis zum Ablösungsstichtag erdiente Besitzstand aufrechterhalten bleiben.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 3; BetrAVG § 2; BGB § 613a Abs. 1 Sätze 1-2; BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1, § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 01.12.2016; Aktenzeichen 6 Ca 472/14 B) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 1. Dezember 2016 - 6 Ca 472/14 B - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersversorgung.
Der am 0.0.1949 geborene Kläger war seit dem 10. Februar 1971 bei der Überlandwerk N.-H. AG (im Folgenden: Ü..) beschäftigt. Die Ü.. versorgte von ihrem Stammsitz in B. verschiedene niedersächsische Gemeinden mit Strom. Bei ihr bestand ein Betriebsrat.
Zum 01. Januar 1991 trat bei der Ü.. die "Ruhegeldvereinbarung für Mitarbeiter bis Eintrittsdatum 31.12.1990 (ÜNH-RV) in Kraft, welche die Betriebsvereinbarung Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung vom 01. Oktober 1962 nebst Zusatzvereinbarungen vom 03. November 1969, 15. Dezember 1972 und Ergänzung vom 11. März 1983 ablöste. Die ÜN-RV enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 6 Bemessungsgrundlagen der Versorgung
3. Als monatliches ruhegeldfähiges Diensteinkommen gilt für einen Mitarbeiter mit Eintrittsdatum vor dem 01.05.1983 das letzte Monatsbruttoeinkommen, das er vor dem Ausscheiden bei der Ü.. als Arbeitseinkommen bezogen hat oder auf das er arbeits- oder tarifvertraglichen Anspruch gehabt hätte. Dauerzulagen sind zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird dem ruhegeldfähigen Diensteinkommen 1/12 des in Satz 1 und 2 festgelegten Monatsbruttoeinkommens hinzugerechnet.
§ 7 Höhe der Versorgungsleistungen
1. Ruhegeld
1.1. Das Ruhegeld beträgt unter Anrechnung der in § 8 aufgeführten Leistungen unter Berücksichtigung der Höchstgrenze gemäß Ziffer 1.5 für Mitarbeiter mit Eintrittsdatum vor dem 01.05.1983
nach 10jähriger ruhegeldfähiger Dienstzeit
30 %
und steigt in den folgenden 15 Jahren mit jedem zurückgelegten Dienstjahr um
2 %
und in den weiteren Jahren in jedem Jahr um
1 %
des ruhegeldfähigen Diensteinkommens bis zum Höchstsatz von
75 %,
für Mitarbeiter mit Eintrittsdatum ab dem 01.05.1983 bis Eintrittsdatum 31.12.1990
nach 10jähriger Dienstzeit
30 %
und steigt in den folgenden 15 Jahren mit jedem zurückgelegten Dienstjahr um
2 %
und in den weiteren Jahren in jedem Jahr um
1 %
des ruhegeldfähigen Diensteinkommens bis zum Höchstsatz von
67,5 %.
§ 8 Im Rahmen der Höchstgrenzen anrechenbare Leistungen
1. Zu den im Rahmen der Höchstgrenzen anrechenbaren Leistungen gehören
das Altersruhegeld,
das vorgezogene Altersruhegeld und die
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
7. Vermindert sich infolge von Änderungen der Sozialversicherungsrechts, insbesondere aufgrund des Inkrafttretens des Rentenreformgesetzes das Leistungsniveau der vorher bezeichneten Ruhegelder bzw. Renten gegenüber derjenigen gesetzlichen Rentenleistung, die sich bei unveränderter Fortgeltung des Rechtsstatus zum 31.12.1990 ergeben hätte, um mehr als 7,5 v.H., dann wird für die Berechnung des Ruhegeldes, des Witwen- bzw. Witwergeldes und des Waisengeldes die lediglich um 7,5 v.H. ermäßigte Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung herangezogen.
Am 20. April 1998 schlossen die E.. AG und die Ü.. mit den Gewerkschaften ÖTV und DAG zur Absicherung und Regelung der Arbeitsbedingungen der von der beabsichtig...