Entscheidungsstichwort (Thema)

fristlose Kündigung, unsubstantiiertes Bestreiten von Tatsachenbehauptungen. Schutzbehauptungen. Beginn der Kündigungserklärungsfrist bei Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Tatkündigung. Zuständigkeit des Eigenbetriebspersonalrates für Kündigungen von Mitarbeitern des Eigenbetriebes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vorherige Anhörung des Arbeitsnehmers vor Ausspruch einer Tatkündigung ist zwar anders als bei einer Verdachtskündigung keine Wirksamskeitsvoraussetzung, aber als erforderliche Aufklärungsmaßnahme des Arbeitgebers zu qualifizieren mit der Konsequenz, dass die Frist des § 626 Abs.2 BGB erst nach der Anhörung zu laufen beginnt.

2. Der Eigenbetriebspersonalrat ist zuständig im Sinne von § 79 Nds.PersVG für die Kündigung eines Eigenbetriebsmitarbeiters, soweit dem Werksleiter des Eigenbetriebes durch Satzung und Dienstanweisung die personalrechtlichen Befugnisse übertragen worden sind und dieser auch tatsächlich die Entscheidung zur Kündigung getroffen hat. Das gilt auch für den Fall, dass die Zuständigkeitsübertragung in der Satzung/ Dienstanweisung möglicherweise unter Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage in Gestalt des § 3 Eigenbetriebsverordnung für das Land Niedersachsen in Verbindung mit §§ 80,113 NGO geschehen ist; dabei handelt es sich um keine offensichtliche Zuständigkeitsüberschreitung der Werksleitung, sodass der Personalrat des Eigenbetriebes zu beteiligen ist.

 

Normenkette

BGB § 626; NGO §§ 80, 113; NPersVG § 79

 

Verfahrensgang

ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 22.01.2008; Aktenzeichen 1 Ca 441/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen 2 AZR 201/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 22.01.2008 – 1 Ca 441/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Beklagte betreibt die Bereiche Abfallwirtschaft und Stadtentwässerung (W.) als rechtlich unselbständigen Eigenbetrieb. Die ihm zugeordneten Mitarbeiter sind allesamt bei der Beklagten beschäftigt und dem Eigenbetrieb zur Aufgabenerfüllung zugewiesen.

Der am 0.0.1963 geborene Kläger ist seit dem 05.09.1990 für die Beklagte als Müllwerker tätig. Sein Monatseinkommen betrug zuletzt 2.232,67 EUR.

Bereits am 10.09.1973 hatte der Verwaltungsausschuss der Stadt A-Stadt den Beschluss des Personalausschusses zu Punkt 3.5 der Niederschrift über die Sitzung des Personalausschusses vom 09.09.1973 (vgl. Bl. 224 – 225 d. A.), wonach dem Oberstadtdirektor gemäß § 80 Abs. 4 NGO die Einstellung, Entlassung und Eingruppierung von Auszubildenden, Verwaltungslehrlingen, Lohnempfängern und von Angestellten bis einschließlich Vergütungsgruppe IV b BAT übertragen werden sollten, zu seinem eigenen Beschluss erhoben (vgl. Bl. 234 d. A.).

Nach § 3 Abs. 3 der Niedersächsischen Eigenbetriebsverordnung (EigBetrVO) kann die Betriebssatzung für einen Eigenbetrieb vorsehen, dass bestimmte personalrechtliche Befugnisse von der Werksleitung des Eigenbetriebes ausgeübt werden.

§ 3 Abs. 2 Nr. 5 der Eigenbetriebssatzung der Stadt A-Stadt für den Eigenbetrieb W. vom 17.12.1997 lautet wörtlich wie folgt:

„Die Werksleitung leitet den Eigenbetrieb selbständig und führt dessen laufende Geschäfte. Dazu gehören insbesondere:

5. personalrechtliche Maßnahmen, soweit vom Oberbürgermeister beauftragt.”

In der Dienstanweisung des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 14.03.2005 ist unter Ziffer 3.) ausgeführt:

„Die Entscheidung über personalrechtliche Maßnahmen liegt bei der Werksleitung. Die Ausführung liegt weiterhin in der Zuständigkeit des Fachbereiches Zentrale Dienste.”

In dem Eigenbetrieb W. ist ein Personalrat gewählt worden. Daneben besteht bei der Beklagten ein Gesamtpersonalrat.

Während seiner Tätigkeit als Müllwerker bestand die Aufgabe des Klägers darin, auf Grundlage eines vorgegebenen Tourenplanes Abfallbehälter mit seinem Entsorgungsteam zu entleeren. Dabei war die Vorgabe der Beklagten u. a., dass nur Müll entsorgt werden durfte, der sich in den dafür vorgesehenen, von der Beklagten zur Verfügung gestellten und von den jeweiligen Kunden bezahlten Behältern befand. Hiervon hat die Beklagte den Kläger sowie seine seinerzeitigen Kollegen mehrfach in Kenntnis gesetzt verbunden mit dem Hinweis, dass derjenige, der hiergegen verstoße und Müll entsorge, der sich nicht in den vorgeschriebenen Behältern befinde, seinen Arbeitsplatz verliere. Insoweit wird auf den Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 26.03.1993 (Bl. 21 d. A.), der betriebsöffentlich ausgehängten Anweisung „Verbot der unerlaubten Mitnahme von Abfällen” vom 13.07.1999 (Bl. 22 d. A.) sowie das Schreiben vom 02.08.2000 (Bl. 23 d. A.) Bezug genommen. Die verbotene Entsorgung von Müll war auch Thema einer Mitarbeiterschulung im Juni 1996.

Anfang September 2006 erhielt die Werksleitung des W. von einem Bürger den Hinweis, dass seit Mai 2006 regelmäßig einmal in der Woche in der O.Straße (Einsatz...

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