Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Verfügungsverbot im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verfügungsverbot gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO hindert den Übergang sächlicher Betriebsmittel. Ob das einem Betriebsübergang generell entgegensteht, blieb unentschieden. Für die Annahme eines Betriebsübergangs ist jedenfalls in Anwendung der ständigen Rspr.d. BAG (vgl. zuletzt 31.1.08 – 8 AZR 2/07 –) erforderlich, dass der Übernehmer den Betrieb tatsächlich fortführt. Das war im Fall zu verneinen,weil nicht erkennbar war, dass der behauptete Übernehmer gegenüber der Belegschaft als weisungsberechtigte Person aufgetreten ist und eine Fortführung des Betriebs auch nicht nach außen erkennbar war (gegenüber Dritten).

2. Damit kann letztendlich dahinstehen, ob bei Auseinanderfallen der Verfügungsmöglichkeit über die sächlichen Betriebsmittel und der tatsächlichen Leitungsmacht über die Mitarbeiter im betriebsmittelarmen Betrieb ein Betriebsübergang möglich ist.

 

Normenkette

BGB § 613a; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lüneburg (Teilurteil vom 22.05.2007; Aktenzeichen 4 Ca 118/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 22.05.2007 – 4 Ca 118/07 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum 01.12.2006 bis 28.02.2007 und in diesem Zusammenhang über das Vorliegen eines Betriebsübergangs.

Der am 00.00.1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger stand ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. November 2006, welcher zu Blatt 4 bis 7 d. A. gereicht wurde, mit der Firma c.h., Inhaberin Frau E. W. in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger war dort als kaufmännischer Assistent mit einem Bruttogehalt von monatlich 1.800,– EUR beschäftigt. Die Firma c.h. betrieb einen Pflegedienst, wobei die Patienten außerhäuslich gepflegt wurden.

Im November 2006 vereinbarte die Inhaberin des Pflegedienstes Frau W. mit dem Beklagten die Übernahme des Pflegedienstes per 01. Dezember 2006 durch diesen. Dementsprechend schrieben sie an die AOK und teilten mit, dass per 01.12.2006 ein Trägerwechsel beabsichtigt sei und beantragten die Zulassung des Beklagten als neuen Träger. Am 30.11.2006, 10:38 Uhr, ordnete das Amtsgericht Lüneburg zu Geschäftsnummer 46 IN 372/06 die vorläufige Verwaltung des Vermögens von Frau W. gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 1 InsO an und auferlegte der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO. Für den Inhalt des Beschlusses wird auf Blatt 32 d. A. Bezug genommen. Ausweislich des Eingangsstempels auf diesem Beschluss ging der Beschluss beim Insolvenzverwalter am 01. Dezember 2006 ein.

Am Freitag, den 01.12.2006 fand im Betrieb der Schuldnerin eine Betriebsversammlung statt. Die Rolle des Beklagten in der Betriebsversammlung ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Mitarbeitern zugesagt, dass im Zuge der angestrebten Betriebsübernahme sämtliche Mitarbeiter übernommen würden. Der Beklagte habe sich als „neuer Chef” vorgestellt. Nach Darstellung des Beklagten habe er lediglich bekundet, sich zu bemühen, das Unternehmen fortzuführen und die Zulassung zu erhalten.

Die Schuldnerin Frau W. war zumindest bis kurz vor Weihnachten 2006 im Betrieb tätig. Ob sie bei der Betriebsversammlung anwesend war, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Mitarbeiter erbrachten weiterhin ihre Arbeitsleistungen. Am Montag, den 04.12.2006, legte der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb still. Er erklärte, dass keine Geschäfte ohne seine Zustimmung durchgeführt werden dürften. Er verhängte ein Zugangsverbot zu den Betriebsräumen, kündigte die Telekommunikationsmittel und die Kfz.-Leasingverträge und widerrief den Zulassungsantrag gegenüber der AOK. In der Folgezeit kündigten einige Patienten den Betreuungsvertrag, und einige Mitarbeiter kündigten das Arbeitsverhältnis. Unstreitig ist aber auch, dass einige Mitarbeiter für den Beklagten tätig waren. Auf welcher Grundlage und auf Grund welcher Absprachen und in welchen Zeiträumen, ist nicht bekannt. Der Kläger mietete neue Betriebsräume in A-Stadt an, ersetzte die Telekommunikationsmittel, mietete Kfz. für die Mitarbeiter an und stand als Ansprechpartner für das Arbeitsamt insbesondere wegen der Insolvenzgeldansprüche der Mitarbeiter zur Verfügung. Streitig ist zwischen den Parteien, ob der Kläger diese Tätigkeiten auf Weisung des Beklagten ausführte. Der Kläger bereitete auch den erneuten Antrag auf Zulassung des Beklagten als neuen Träger des Pflegedienstes vor.

Zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Beklagten wurde unter dem 20.12.2006 eine Honorarvereinbarung getroffen, nach deren Inhalt der Beklagte sich verpflichtete, die vom Pflegedienst c.h. im November vorgenommenen Pflegeleistungen abzurechnen. Für den gesamten Inhalt der Vereinbarung ...

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