Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch zur Differenzlohnklage eines Leiharbeitnehmers aufgrund fehlender Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen. unbegründeter Verjährungseinwand der Arbeitgeberin bei fehlender Kenntnis anspruchsbegründender Tatsachen
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Sinn und Zweck des § 9 Nr. 2 AÜG kann nur die Vereinbarung der Anwendung wirksam geschlossener Tarifverträge eine Ausnahme von dem Grundsatz gleicher Bezahlung für Stammmitarbeiter und Leiharbeitnehmer rechtfertigen und einen Auskunftsanspruch gemäß § 13 AÜG sperren.
2. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich allein die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus; nicht erforderlich ist (abgesehen vom Ausnahmefall der unsicheren und zweifelhaften Rechtslage) deren rechtlich zutreffende Bewertung.
3. Für die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen ist nicht die Kenntnis aller Einzelheiten erforderlich; es genügt, dass der Anspruchsberechtigte den Sachverhalt in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass er erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet.
4. Die Erhebung einer Klage muss dem Anspruchsberechtigten mit seinem Kenntnisstand aber erfolgversprechend oder zumutbar, wenn auch nicht risikolos möglich sein; der Anspruchsberechtigte muss diejenigen Tatsachen kennen, die ihn in die Lage versetzen, den Anspruch schlüssig darzulegen.
5. Die Beweislast für die Kenntnis des Anspruchsberechtigten hat nach den allgemeinen Grundsätzen, wer sich auf die Einrede der Verjährung beruft.
6. Anders als eine unwirksame Klausel im Arbeitsvertrag handelt es sich bei den für die Beurteilung der Tariffähigkeit einer Gewerkschaft maßgeblichen Tatsachen um Umstände außerhalb der unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitnehmer und seiner Arbeitgeberin oder der Entleiherin, die von ihm nicht ohne weiteres wahrgenommen werden können; ohne positive Kenntnis der für die Beurteilung der Tariffähigkeit maßgeblichen Satzungsbestimmungen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) war dem Leiharbeitsarbeitnehmer eine Klageerhebung im Jahr 2007 nicht zumutbar, weil er nicht schlüssig begründen konnte, dass die Anwendungssperre des § 13 (letzter Halbsatz) AÜG ausgeschlossen ist.
7. Vereinssatzungen sind keine von § 293 ZPO erfasste Statuten, die das Gericht von Amts wegen zu erforschen hat.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2, § 13; BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2, §§ 242, 611 Abs. 1; ZPO § 293
Verfahrensgang
ArbG Emden (Entscheidung vom 28.09.2011; Aktenzeichen 1 Ca 188/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 28.09.2011 - 1 Ca 188/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auskunft in Anspruch.
Der Kläger trat als Leiharbeitnehmer auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages nebst Änderungsvereinbarung (Bl. 80 - 85 d.A.), auf den die am 26.03.2003 abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag, Beschäftigungssicherungstarifvertrag) zwischen der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und der Mittelstandsvereinigung Zeitarbeit e.V. in der jeweils gültigen Fassung ab dem 01.01.2004 Anwendung finden, in die Dienste der Firma U.. Diese setzte den Kläger vom 17.09. bis 02.10.2007 bei der beklagten Entleiherin ein, wo er mit Schlossertätigkeiten beschäftigt war.
Mit Schreiben vom 17.03.2011 verlangte der Kläger von der Beklagten erfolglos Auskunft über die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammmitarbeiter der Beklagten in dem genannten Zeitraum.
Mit der am 26.04.2011 bei dem Arbeitsgericht Emden eingegangenen Klage hat er sein Auskunftsbegehren weiterverfolgt.
Er hat geltend gemacht, auf Grund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 und der sich daraus ergebenden Unwirksamkeit der zwischen der CGZP und dem AMP geschlossenen Tarifverträge habe er gegenüber seiner Arbeitgeberin Anspruch auf die Differenzvergütung zwischen der ihm gezahlten Stundenvergütung von 11,50 € brutto und derjenigen Vergütung, die ein vergleichbarer, mit Schlossertätigkeiten beschäftigter Arbeitnehmer der Beklagten in der Zeit vom 17.09.2007 bis 02.10.2007 erhalten habe. Zur Anspruchsdurchsetzung benötige er die geforderte Auskunft.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines Schlossers in ihrem Betrieb bezogen auf den Bruttostundenlohn, den Monatsbruttolohn, etwaige Sonderzahlungen und Zulagen bezogen auf den Zeitraum 17.09.2007 bis 02.10.2007.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ein Auskunftsanspruch sei zum Zeitpunkt der Überlassung des Klägers entstanden und deshalb verjährt. Außerdem sei ei...