Entscheidungsstichwort (Thema)

Geriatriezulage

 

Leitsatz (amtlich)

Anspruch auf die Zulage gemäß Protokollnotiz Nr. 1 des Abschnitts B des Bundesmanteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW) für die Grund- und Behandlungspflege von Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen besteht nur, wenn der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin zeitlich überwiegend Krankenpflege verrichtet.

 

Normenkette

BMT-AW

 

Verfahrensgang

ArbG Lingen (Urteil vom 16.05.2002; Aktenzeichen 1 Ca 662/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 16.05.2001 – 1 Ca 662/01 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Anspruch auf die Weitergewährung einer Zulage.

Die Klägerin ist in dem von dem Beklagten betriebenen Altenwohnzentrum tätig. Gemäß Ziffer 9 des Arbeitsvertrages finden die Bestimmungen des für die Arbeiterwohlfahrt geltenden Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (künftig: BMT-AW) in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Klägerin ist eingruppiert in die Vergütungsgruppe KrT V. Sie ist teilzeitbeschäftigt.

Der Beklagte zahlte an die Klägerin seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses eine monatliche „Geriatriezulage” in Höhe von 45,00 DM. Gemäß Protokollerklärung Nr. 1 des Abschnitts B des BMT-AW erhalten diese Zulage

Pflegepersonen der Vergütungsgruppe AW-KrT I bis VIII, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei

… Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen

ausüben.

Die Klägerin ist im Wohnbereich und im Erdgeschloss des Altenwohnzentrums tätig. Dort wohnen 37 Personen, von denen 15 in die Pflegestufe 3 eingestuft sind. Die Bewohner sind überwiedend demenzkrank. Sämtliche Bewohner werden von ihren Hausärzten ärztlich betreut und erhalten Medikamente, die überwiegende Anzahl ist inkontinent. Bei vielen Bewohnern sind Blutdruck und Blutzuckerspiegel zu messen. Bei einigen ist Insulin zu verabreichen oder sind Dauerkatheter zu beobachten und zu wechseln. Hinsichtlich der Einzelheiten der Erkrankungen wird auf die von der Klägerin zur Akte gereichten Stammblätter (Hülle, Bl. 64 d. A.) und die Bewohnerliste (Bl. 62/63 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin ist nicht für die Betreuung einzelner Bewohner zuständig, sondern betreut zusammen mit 4 anderen Arbeitnehmern in der Frühschicht wechselnde Bewohner. Dabei betreut sie jeweils etwa 10 Wohnheimbewohner aus der Gesamtzahl von 38.

Der Tagesablauf der Klägerin gestaltet sich wie folgt:

Frühdienst

06.30 Uhr bis 0.645 Uhr

Übergabe durch Nachtdienst an den Tagdienst

06.45 Uhr bis 08.00 Uhr

Grundpflege (Waschen, Duschen, Inkontinenzversorgung, Toilettengänge, Mobilisation, Verbandwechsel, RR und BZ-Kontrollen, Insulinspritzen, Entnahme von Urinproben, Verteilung der Medikamente, Vorbereitung Sondenkosten)

08.00 Uhr bis 09.00 Uhr

Verteilen von Frühstück, anreichen, Kontrolle der Nahrungsaufnahme, bei einigen Bewohnern Verabreichung der Medikamente, Verabreichung von Sondennahrung

09.00 Uhr bis 10.00 Uhr

Frühstückspause in zwei Gruppen BT durch Pflegekraft

10.00 Uhr bis 11.15 Uhr

Grundpflege (Waschen, Duschen, Mobilisation)

11.15 Uhr bis 11.30 Uhr

Dokumentation

Bei ihrer Tätigkeit unterliegt die Klägerin den Arbeitszeitvorgaben des Beklagten, die sich aus den Pflegestandards für die Allgemeine Pflege (AP) und aus den Pflegestandards Spezielle Pflege (SP), auf die Bezug genommen wird (Bl. 58 bis 60 d. A.), ergeben. Auf den Arbeitsnachweis der Klägerin für Januar 2002, aus dem sich die für den Bereich der Allgemeinen Pflege und der Speziellen Pflege jeweils aufgewendeten Zeiten ergeben, wird Bezug genommen (Bl. 61 d. A.).

Der Beklagte hat unter Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.12.1999 (AP Nr. 16 zu § 33 a BAT) die Zahlung der Geriatriezulage mit Wirkung seit dem 01.04.2001 eingestellt. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Weiterzahlung dieser Zulage.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.05.2002 der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe Anspruch auf die begehrte Zulage, weil alle von ihr betreuten Personen Kranke im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien. Die Protokollerklärung verlange nicht, dass mehr als 50 % der pflegerischen Tätigkeit tatsächlich Krankenpflege sei.

Gegen dieses ihm am 02.07.2002 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 29.07.2002 eingelegten und am 02.09.2002 begründeten Berufung.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin stehe die Geriatriezulage nicht zu. Er betreibe keine geriatrische Abteilung, sondern unterhalte lediglich Altenpflegeabteilungen. Anspruch auf diese Zulage bestehe nur, wenn die Krankenpflege mindestens 51 % der Arbeitszeit ausmache. Dies sei nicht der Fall.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 16.05.2002 – 1 Ca 662/01 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurü...

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