Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Betriebsübergang ohne Übernahme der Betriebsmittel
Leitsatz (amtlich)
Geht ein Betrieb entgegen der Abrede zwischen Veräußerer und Erwerber zum vereinbarten Stichtag nicht auf den Erwerber über und führt der Veräußerer den Betrieb vorübergehend fort, bleibt letzterer bis zur tatsächlichen Übergabe der wesentlichen Betriebsmittel und Übernahme der Leitung gegenüber den Arbeitnehmern in der Verpflichtung für das vertraglich geschuldete Arbeitsentgelt. Die Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 sind bis dahin nicht erfüllt.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Celle (Urteil vom 05.09.2005; Aktenzeichen 2 Ca 126/05) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 5. September 2005 – 2 Ca 126/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2005.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. GmbH & Co. KG. Zum Unternehmen der Schuldnerin gehören mehrere Hotels in C., darunter das Hotel „B.”, in dem die Klägerin seit dem 04.10.1993 als Etagenhilfe zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.449,50 EUR beschäftigt war.
Mit Betriebsstättenkaufvertrag vom 21.01.2005 wurden das Sachanlagevermögen der Gemeinschuldnerin sowie deren Geschäftsunterlagen für Vertriebsorganisation, Marketing, Materialbeschaffung und der Kundenstamm mit Wirkung zum 01.02.2005, 00:00 Uhr an die Hotel F. mbH & Co. KG veräußert. Dieses Unternehmen sollte als „Besitzgesellschaft” fungieren. Zeitgleich sollten nach § 1 Abs. 3 des Betriebsstättenkaufvertrages die auf dem Betriebsgrundstück der Gemeinschuldnerin vorhandenen Warenbestände, soweit sie sich in deren Eigentum befanden, insbesondere Lebensmittel und Getränke, aber auch andere Vorräte wie Putzmittel etc. an die A.mbH S. in K. übertragen werden, die die Hotels als „Betriebsgesellschaft” fortführen sollte. Zum 01.02.2005, 00:00 Uhr sollte die A. mbH S auch den Auftragsbestand nach Maßgabe von § 3 sowie die Arbeitsverhältnisse nach § 10 des Betriebsstättenvertrages übernehmen. Zu § 10 des Betriebsstättenvertrages hat sich der Beklagte mit der A auf eine Liste der zu übernehmenden Mitarbeiter verständigt, auf der sich auch der Name der Klägerin befindet. § 2 des Betriebsstättenvertrages eröffnet der A mbH S das Wahlrecht, ob sie ab dem vereinbarten Stichtag 01.02.2005 mit allen Rechten und Pflichten in die bestehenden Leasing- / Mietverträge eintritt, oder ob sie die Übernahme dieser Verträge ablehnt. Dazu heißt es wörtlich:
„Das Wahlrecht kann für jeden einzelnen Leasing- / Mietvertrag unterschiedlich ausgeübt werden. Der Eintritt in die Verträge muss bis spätestens 15.02.2005 erklärt werden, anderenfalls gilt die Vertragsübernahme seitens der Käuferin als abgelehnt.”
Weder die Hotel F mbH & Co. KG noch die A mbH S traten in die Mietverträge zum 01.02.2005 ein. Die A mbH S übernahm das Hotel „B” auch nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern erst zum 01.03.2005, nachdem ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werden konnte. In der Zwischenzeit betrieb der Beklagte das Hotel „B” weiter. Er wickelte den Zahlungs- und Rechnungsverkehr ab und vereinnahmte die Erlöse. Die Klägerin erbrachte im Februar 2005 ihre Arbeitsleistung für den Beklagten, ohne dafür eine Vergütung zu erhalten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte, der das Hotel „B” im Februar 2005 betrieben habe, schulde ihr für diesen Monat die Arbeitsvergütung sowie anteiliges Urlaubsgeld.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.449,50 EUR brutto sowie weitere 16,64 EUR brutto anteiliges Urlaubsgeld für Februar 2005 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 16.03.2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, die A mbH S habe sich in dem Betriebsstättenkaufvertrag verpflichtet, das Hotel „B” zum 01.02.2005 einschließlich der in der Anlage 2 aufgeführten Mitarbeiter zu übernehmen, und zwar unabhängig von dem Abschluss eines neuen Mietvertrages. Im Verhältnis zur Klägerin sei daher allein die Betriebsstättenerwerbin verpflichtet, den Anspruch auf Arbeitsentgelt ab dem 01.02.2005 zu erfüllen. Die Klägerin sei deshalb darauf verwiesen, sich mit der A mbH S auseinander zu setzen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 05.09.2005, auf dessen gesamte Begründung Bezug genommen wird, im Wesentlichen aus folgenden Gründen stattgegeben: Die Klägerin könne das der Höhe nach unstreitige Arbeitsentgelt für Februar 2005 sowie das regelmäßig monatsanteilig gezahlte Urlaubsgeld von dem Beklagten verlangen, dessen Arbeitgeberstellung nicht vor dem 01.03.2005 geendet habe. Der Betriebsstättenkaufvertrag, der einen Übergang des Arbeitsverhältnisses zum 01.02.2005 auf die A mbH vorgesehen habe, bewirke keinen Wechsel der Arbeitgeberstellung. Dieser Vertrag könne ohne die Zustimmung der Klägerin keine Wirkung für das Arbeitsverhältnis der Parteien entfal...