Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Befristung bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats. "Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung" bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten
Leitsatz (amtlich)
Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates gemäß §§ 65 Abs. 2 Nr. 4, 105 Abs. 5 Satz 1 NPersVG die Befristung unwirksam. Die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen bleiben unberührt.
Leitsatz (redaktionell)
Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 65 Abs. 2 Nr. 4 NPerVG dient dem Schutz des Arbeitnehmers und soll seinen Interessen an einer dauerhaften Bindung Rechnung tragen. Deshalb sind die Grundsätze der "Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung" anzuwenden, die das Bundesarbeitsgericht für Fälle der Verletzung von Mitbestimmungsrechten entwickelt hat. Danach ist eine vereinbarte Befristung unwirksam, wenn sie ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats erfolgt ist.
Normenkette
NPersVG § 105 Abs. 5 S. 1, § 65 Abs. 2 Nr. 4; TzBfG § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 17 S. 1; NPersVG §§ 63, 68 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 25.02.2020; Aktenzeichen 1 Ca 319/19 Ö) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 25. Februar 2020 - 2 Sa 338/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.439,77 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Befristung eines Arbeitsvertrages.
Die am 2. Juli 1971 geborene Klägerin ist seit dem 19. Oktober 2015 bei dem beklagten Land an der Universität C-Stadt als Lehrkraft für besondere Aufgaben iSv. § 32 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) beschäftigt. Sie lehrte dort im Fach Philosophie. An der Universität C-Stadt ist ein Personalrat gebildet.
Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag vom 14. Oktober 2015 für den Zeitraum vom 19. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 zugrunde (Bl. 6 f. d. A.). Unter dem 21. September 2016 schlossen die Parteien einen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2019 befristeten Arbeitsvertrag (Bl. 8 f. d. A.). Als Befristungsgrund war in dem Arbeitsvertrag § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG angegeben.
In der Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2017 arbeitete die Klägerin in Teilzeit mit 75 % einer Vollzeitstelle, ab dem 1. Oktober 2017 arbeitete sie in Teilzeit mit 50 % einer Vollzeitstelle. Sie erziele zuletzt eine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.146,59 Euro (Entgeltgruppe 13 TV-L).
Im Rahmen ihrer Tätigkeit lehrte die Klägerin neben kulturwissenschaftlichen Veranstaltungen insbesondere auch die sozialwissenschaftlichen Veranstaltungen der Module SW 4 Einführung in die Philosophie und SW 5.3 Grundlagen und Perspektiven der praktischen Philosophie.
Mit ihrer am 19. August 2019 beim Arbeitsgericht Oldenburg eingegangenen Klage wehrt sich die Klägerin gegen die Befristung ihres Arbeitsvertrages. Sie hat die Auffassung vertreten, der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG liege nicht vor. Ein nur vorübergehender Bedarf für ihre Tätigkeit habe nicht bestanden. Ihr seien vielmehr Daueraufgaben der Lehre in einem bestimmten wissenschaftlichen Bereich übertragen worden, die von dem Stammpersonal der Universität C-Stadt mangels ausreichender Personalausstattung nicht hätten erledigt werden können. Sie sei nur im geringen Umfang im Bereich der Sozialwissenschaften in den Modulen SW 4.1 und SW 5.3 tätig gewesen. Innerhalb ihrer drei Beschäftigungsjahre habe sie nur drei dieser Module gelehrt, wobei jede Lehrveranstaltung lediglich einen Umfang von zwei Wochenstunden gehabt habe. Der Tätigkeitsumfang von zuletzt 50 % einer Vollzeitstelle entspreche einer Lehrverpflichtung für 9 Lehrveranstaltungen mit 18 Semesterwochenstunden im Jahr. Diese sei durch die von dem beklagten Land aufgeführten Tätigkeiten im Bereich der Sozialwissenschaften nicht abgedeckt.
Die Klägerin hat die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates bei der Befristung des Arbeitsvertrages bestritten.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 21. September 2016 nicht beendet worden ist.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsvertrages sei gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG wegen des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfes an der Arbeitskraft der Klägerin gerechtfertigt. Zum Wintersemester 2016/2017 sei das Studienfach Philosophie aus der Verankerung der Sozialwissenschaften herausgelöst und Bestandteil des Studienfaches Kulturwissenschaften geworden. Diese Veränderung habe zur Folge gehabt, dass die bisher im Bereich der Sozialwissenschaften gelehrten Module SW 4 und SW 5 nicht mehr Inhalte des Studienfaches Philosophie enthielten, sond...