Rechtsmittel eingelegt unter dem Aktenzeichen: 2 AZN 203/10
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeitbetrug. Einzelfallentscheidung zu wichtigem Grund
Leitsatz (amtlich)
Macht ein Arbeitnehmer an 7 Tagen in Folge fehlerhafte Angaben zum Beginn und/oder Ende seiner täglichen Arbeitszeit, lässt dies den Rückschluss auf vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug ohne Weiteres zu.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 17.11.2008; Aktenzeichen 6 Ca 275/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 17.11.2008, 6 Ca 275/08, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008 auf Grund des Vorwurfes des Arbeitszeitbetruges, hilfsweise des dringenden Verdachts des Arbeitszeitbetruges.
Für das Vorbringen der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren und den unstreitigen Sachverhalt wird zunächst auf den detaillierten Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17.11.2008 Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Nachdem sich im erstinstanzlichen Verfahren die Vorwürfe der Beklagten hinsichtlich des Arbeitszeitbetruges bzw. des Verdachtes eines Arbeitszeitbetruges auf den Zeitraum vom 26.05. bis 02.06.2008 beschränkten, brachte sie im Laufe des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 13.11.2009 vor, dass die Klägerin auch am 03.06. und 04.06.2008 fehlerhafte Angaben hinsichtlich der tatsächlichen Arbeitszeit getätigt habe.
Das Arbeitsgericht gab der Klage mit Urteil vom 17.11.2008 statt und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008 nicht beendet worden sei und verurteilte die Beklagte zur Beschäftigung der Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Für den Inhalt der Entscheidungsgründe wird ebenfalls auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Gegen dieses der Beklagten am 28.11.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Die Berufungsbegründung ging am 02.03.2009 beim Landesarbeitsgericht ein. Auf Antrag des Beklagtenvertreters vom 28.01.2009 wurde die Berufungsbegründungsfrist gemäß Beschluss vom 28.01.2009 bis 02.03.2009 verlängert.
Die Beklagte und Berufungsklägerin wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung. Sie führt aus, dass die maßgebliche Uhr für die Angabe der von den Mitarbeitern zu erfassenden Arbeitszeit die am Eingang des Dienstgebäudes hängende Uhr sei. Diese werde batteriebetrieben, gehe genau und werde kontrolliert. Die Beklagte weist darauf hin, dass der Parkplatz direkt am Dienstgebäude liege. Nach den räumlichen Gegebenheiten würden selbst dann, wenn die Klägerin – wie von ihr behauptet – ihre Arbeitszeit bereits mit dem Durchfahren des Eingangstores zum Parkplatzes aufschreibe, keine Arbeitszeitdifferenzen in der vorgefundenen Größenordnung entstehen. Dass die Klägerin sich hinsichtlich der Frage, wann ihre Arbeitszeit beginne, auf Internetrecherchen verlasse, sei nicht nachvollziehbar, die Klägerin hätte fragen können. Im Übrigen sei ihr Vorbringen auch unsubstantiiert, da sie die Quellen nicht angebe. Wegen der beengten Räumlichkeiten könne man auch nicht von einem „Werkstor” sprechen. Die Klägerin habe vielmehr Zeiten wartend im Auto verbracht, in dem sie entweder auf ihre Tochter wartete oder rauchte. Die Zeitdifferenz rühre aus diesem Umstand her und nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin die Zeit bereits mit Durchfahren des Werktores erfasse. Kenntnis von dem Arbeitszeitbetrug habe man am 02.06.2008 bezüglich des Zeitraumes 26.05. bis 02.06.2008 erlangt, da zu diesem Zeitpunkt der Zeiterfassungsbogen für den Monat Mai 2008 von der Klägerin bestätigt wurde. Die Kenntnis von dem Arbeitszeitbetrug am 03. und 04.06.2008 habe man erst nach der Kammerverhandlung beim Landesarbeitsgericht vom 05.10.2009 erlangt. Anlässlich eines Gespräches habe Frau A. von diesen Daten dem kündigungsbefugten Personalleiter erstmals mitgeteilt. Dementsprechend habe man den Personalrat zu diesen Kündigungsgründen nachträglich mit Schreiben vom 02.11.2009 angehört und die Gründe in den Kündigungsschutzprozess nachgeschoben.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Schlussantrag der Beklagten in erster Instanz (die Klage abzuweisen) zu erkennen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung. Dabei betont sie, dass sie bis zu Beginn ihres Urlaubes im Mai 2008 die Arbeitszeit mit Betreten des Dienstgebäudes erfasst habe und erst nach den in ihrem Urlaub durchgeführten Recherchen zu der Auffassung gekommen sei, Beginn der Arbeitszeit sei der Zeitpunkt, zu dem sie das Parkplatz-/Werkstor...