Entscheidungsstichwort (Thema)
Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zum der Parteien zurechenbaren Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach § 519 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F.:
1) Im Büro des Prozessbevollmächtigten bestand keine Weisung bei oder alsbald nach Einreichung der Berufungsschrift das mutmaßliche Ende der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender zu notieren und den Vermerk nach Eingang der gerichtlichen Eingangsbestätigung zu kontrollieren, sondern nur die Weisung, bei Eingang der rechtsmittelfähigen Entscheidung die Berufungsfrist und zugleich eine vorläufige Frist von einem weiteren Monat zur Berufungsbegründung einzutragen.
2) Die Angestellten waren über das Übergangsrecht des § 26 Ziffer 5 EGZPO nicht ausreichend belehrt worden.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Aktenzeichen 1 Ca 54/01) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 8. Januar 2002 – 1 Ca 54/01 – wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten nach einem Wert von 2.965,49 EUR auferlegt.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten darum, ob der Klägerin Leitungsaufgaben übertragen und rechtswirksam wieder entzogen … worden sind.
Auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2001 hat das Arbeitsgericht mit seinem am 8. Januar 2002 verkündeten Urteil der Klage weitgehend stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Beklagten am 17. Januar 2002 zugestellt worden. Ausweislich der dem Urteil angefügten Rechtsmittelbelehrung muss die Berufungsschrift binnen einen Monats nach Zustellung des Urteils beim Landesarbeitsgericht eingelegt und gleichzeitig oder innerhalb eines weiteren Monats nach Eingang der Berufung bei Gericht begründet werden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner mit Schriftsatz vom 30. Januar 2002, der am 31. Januar 2002 bei Gericht eingegangen ist, eingelegten und am 6. März 2002 begründeten Berufung. Gleichzeitig mit der Berufungsbegründung begehrt der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung führt er aus, dass in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten die Weisung bestehe, mit Eingang der rechtsmittelfähigen Entscheidung die Berufungsfrist und eine vorläufige Frist zur Berufungsbegründung ins Fristenbuch einzutragen. Bei Eingang des arbeitsgerichtlichen Urteils am 17. Januar 2002 habe daher die seit 1995 beschäftigte und sehr sorgfältige, gewissenhafte und zuverlässige Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte S. unter Beachtung einer Vorfrist als Berufungsfrist den 15. Februar 2002 und als Frist für die Berufungsbegründung den 15. März 2002 ins Fristenbuch eingetragen. Nach Berufungseinlegung habe sie es dann entgegen der bestehenden Büroanweisung, nach Erhalt der Eingangsbestätigung des Gerichts die Frist anhand der Rechtsmittelbelehrung erneut zu kontrollieren und gegebenenfalls die geänderte Frist einzutragen, aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen bei der ursprünglich notierten Berufungsbegründungsfrist belassen. Ohne dieses Versäumnis wäre der Vorgang unter Berücksichtigung der Vorfrist rechtzeitig vor Fristablauf vorgelegt worden. Hinsichtlich der Einzelheiten seines Vorbringens zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf S. 2 f. des Schriftsatzes vom 4. März 2002 (Bl. 131 f. d.A.) und seinen Schriftsatz vom 25. März 2002 (Bl. 155–158 d.A.) Bezug genommen. Ebenso wird auf die eidesstattliche Versicherung der Angestellten S vom 4. März 2002 (Bl. 142 f. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
B. I. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Das angefochtene Urteil vom 8. Januar 2002 ist auf die am 29. November 2001 geschlossene mündliche Verhandlung ergangen. Damit sind auf das vorliegende Berufungsverfahren die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung weiterhin anzuwenden (§ 26 Zf. 5 Satz 1 EGZPO). § 66 ArbGG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung enthielt nur eine Regelung der Länge der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist. Der Beginn des Laufs dieser Fristen bestimmte sich daher aufgrund der Verweisungsvorschrift des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG nach § 516 und § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. Darüber hat das Arbeitsgericht mit seiner dem Urteil angefügten Rechtsmittelbelehrung den Beklagten richtig belehrt.
Nach Eingang der Berufungsschrift beim Landesarbeitsgericht am 31. Januar 2002 lief daher die einmonatige Berufungsbegründungsfrist am 28. Februar 2002 ab. Der Beklagte hat erst am 6. März 2002 Berufung eingelegt, die Berufungsbegründungsfrist also versäumt.
II. Dem Beklagten ist auf seinen form- und fristgerecht gestellten Antrag auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass diese Frist ohne ein ihm z...