Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildungsurlaub. Sprachkurs. Anspruch auf Bildungsurlaub. Verfassungsmäßigkeit eines Landesbildungsurlaubsgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Teilnahme an Sprachkursen (hier: Schwedisch II und Schwedisch III) besteht Anspruch auf Bildungsurlaub nach § 1 NBildUG.

2. Die weite Fassung des Bildungsbegriffs in § 1 NBildUG verstößt nicht gegen Art. 12 GG.

 

Normenkette

NBildUG § 1; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

ArbG Celle (Urteil vom 07.05.2003; Aktenzeichen 2 Ca 164/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.03.2005; Aktenzeichen 9 AZR 104/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 07.05.2003, 2 Ca 164/03, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.000,– EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er nach dem Nieder-sächsischen Bildungsurlaubsgesetz (NBildUG) Anspruch auf Frei-stellung für die Teilnahme an zwei Sprachkursen für Schwedisch hatte.

Der Kläger ist seit 1979 als Verkäufer bei der Beklagten in C. beschäftigt. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Textil-einzelhandelsunternehmen.

Unter dem 29.01.2003 beantragte der Kläger Erteilung des Bildungs-urlaubes für die Jahre 2002/2003 für 2 Sprachkurse, nämlich Schwedisch II und Schwedisch III im März und Mai 2003. Die Sprachkurse waren als Bildungsveranstaltung anerkannt. Die Beklagte lehnte Freistellung ab mit der Begründung, es handele sich weder um politische Bildung noch um berufsbezogene Weiter-bildung. Der Kläger besuchte die Sprachkurse, die Beklagte gewährte dafür Urlaub.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass Anspruch auf Bildungsurlaub bestanden habe.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass er einen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte hat für die Teilnahme an dem Kurs „Schwedisch II” in der Zeit vom 03.03.2003 bis zum 07.03.2003 und auf Teilnahme an dem Kurs „Schwedisch III” in der Zeit vom 12.05.2003 bis zum 16.05.2003.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Niedersächsische Bildungs-urlaubsgesetz müsse verfassungskonform ausgelegt werden unter Berücksichtigung von Artikel 12 GG. Bildungsurlaub dürfe nur verlangt werden, wenn er für den Arbeitgeber jedenfalls ein geringes Maß an greifbaren Vorteilen mit sich bringe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit Berufung trägt die Beklagte vor, der Begriff der allgemeinen Bildung im Sinne des Niedersächsischen Bildungsurlaubsgesetzes sei derart weit gefasst, dass er unter Berücksichtigung von Artikel 12 GG einer Einschränkung bedürfe. Das Erlernen einer Fremdsprache sei dabei nicht aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Sprachkurse seien weder der politischen Bildung noch dem Bereich der beruflichen Bildung zuzurechnen. Schwedischkenntnisse würden vom Kläger für die Berufstätigkeit nicht benötigt. Auch wenn die Stadt auch von schwedischen Touristen besucht werde, so handele es sich bei ihrem Kaufhaus nicht um ein Geschäft, in dem Touristen kaufen. Sie unterhalte ein Textilkaufhaus im Kleinpreissektor bzw. im mittleren Segment. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 07.05.2003 (Az: 2 Ca 164/03) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erst-instanzliche Urteil. Ergänzend wird Bezug genommen auf die vom Kläger vorgelegten Stundenpläne für die 2 Sprachkurse, Bl. 139 und 140 d. A..

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung der Klage statt-gegeben.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO, obwohl die Bildungs-maßnahmen bereits abgeschlossen sind. Hat die Beklagte zu Unrecht Bildungsurlaub verweigert und deshalb zu Unrecht die Freistellung auf den Urlaubsanspruch verrechnet, hat der Kläger einen Schadens-ersatzanspruch auf nachträgliche Urlaubsgewährung. Damit besteht ein Feststellungsinteresse (BAG vom 24.08.1993, 9 AZR 473/90, EzA § 7 AwbG Nordrhein-Westfalen Nr. 18).

2. Die Anerkennung der Sprachkurse als Bildungsmaßnahmen gemäß § 10 NBildUG hat keine Bindungswirkung im Arbeitsverhältnis zur Folge. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (z.B.: Urteil vom 24.08.1993, 9 AZR 473/90, a.a.O.) ist vielmehr von den Arbeits-gerichten zu prüfen, ob die Veranstaltungen den Voraussetzungen des Bildungsurlaubsgesetzes entsprechen.

3. Die besuchten Sprachkurse Schwedisch II und Schwedisch III erfüllen die Voraussetzungen des NBildUG. Nach § 1 NBildUG dient Bildungsurlaub der Erwachsenenbildung im Sinne des Nieder-sächsischen Erwachsenenbildungsges...

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