Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen: 10 AZR 268/02
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung. Geschlossene Abteilung
Leitsatz (amtlich)
Die Vollzugszulage nach § 6 TV All. Zulage steht Angestellten in geschlossenen Abteilungen oder Stationen bei Psychiatrischen Krankenanstalten für die Zeit ihrer überwiegenden Beschäftigung in diesem Bereich zu. Bei der Berechnung der Zeiten „in” einer geschlossenen Abteilung oder Station sind dabei alle Zeiten zu berücksichtigen, die der Angestellte (hier: Arzt) entweder auf der geschlossenen Station oder mit Probanden dieser Station außerhalb (z. B. in seinem Dienstzimmer) verbringt. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen Zeiten für Tätigkeiten ohne persönlichen Kontakt mit Probanden, selbst wenn es sich dabei um Zusammenhangstätigkeiten (z. B. Verwaltungsarbeiten) handelt.
Normenkette
TV Allgemeine Zulage § 6
Verfahrensgang
ArbG Nienburg (Urteil vom 13.01.2000; Aktenzeichen 1 Ca 1073/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes vom 18.02.2002 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13.01.2000 – 1 Ca 1073/99 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Weitergewährung einer Vollzugszulage.
Der Kläger ist seit 1987 als Arzt beim beklagten Land im Niedersächsischen Landeskrankenhaus W. in der Fachabteilung B. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) nebst diesen ergänzenden Tarifverträgen in der jeweiligen Fassung Anwendung. Mit Schreiben vom 07.01.1998 wurde dem Kläger die so genannte Vollzugszulage nach § 6 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte (TV Allg. Zulage) in Höhe von 186,84 DM brutto zuerkannt. Diese Tarifbestimmung hat folgenden Wortlaut:
„Angestellte bei Justizvollzugseinrichtungen, in abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte sowie in geschlossenen Abteilungen oder Stationen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen, erhalten für die Zeit ihrer überwiegenden Beschäftigung in diesen Einrichtungen, Bereichen bzw. Abteilungen oder Stationen eine Vollzugszulage.”
In der Fachabteilung des Krankenhauses in B. sind von insgesamt 200 Betten 75 Betten dem Maßregelvollzug nach § 64 StGB zugeordnet, der auf 4 Stationen durchgeführt wird. Die Stationen 1 bis 3 sind geschlossene Abteilungen, Station 4 wird seit 1992/1993 nach dem „open-door-system” geführt. Bis zum 30.04.1999 war der Kläger als Oberarzt für die Stationen 1 bis 4 zuständig. Seit dem 01.05.1999 leitet er die Stationen 1 bis 3 mit 55 Patienten. Zu seinen Aufgaben gehören u. a. die Durchführung von Gesprächen mit Probanden und körperliche Untersuchungen, die Behandlung von Beschwerden sowie Kontrolle der Dokumentation und Aktenführung, ferner die Anleitung des Personals. Die Einzelgespräche und Untersuchungen finden teilweise im Dienstzimmer des Klägers statt, das durch mehrere verschlossene Türen getrennt ungefähr 50 Meter von der Station 3 entfernt liegt. Auf dem Weg zu den Gesprächen werden die Probanden begleitet und bewacht.
Der Kläger führte im Verlaufe des Rechtsstreits über seine einzelnen Tätigkeiten für die Dauer von vier Wochen (10.09. bis 12.10.2001) Protokolle, auf die das Gericht Bezug nimmt. Die Protokolle wurden täglich vom Chefarzt Dr. H. gegengezeichnet.
Inhaltlich differenzierte der Kläger bei den Eintragungen, die er in 10-Minuten-Schritten vornahm, zwischen folgenden Kategorien, wobei er sich über die Dokumentationsmethode und den -zeitraum mit dem Chefarzt Dr. H. abgestimmt hatte:
- VT – Verwaltungstätigkeiten mit Patientenbezug (z. B. Stellungnahmen, Anträge, Dokumentationen)
- AT – Aktivitäten außerhalb der Klinik (Begleitung bei Ausführung, Transport, Hausbesuch etc.)
- PB – Patientenbesprechung (Team, Supervision, Frühbesprechung, Übergabe)
- PK – Tätigkeit mit Patientenkontakt
- gS – Tätigkeit auf der geschlossenen Station
- B – Tätigkeit wird im eigenen Büro ausgeübt
Zeiten von Personalratstätigkeiten zog der Kläger ebenso ab wie Ambulanztätigkeiten mit Patiententätigkeiten, während er Notalarmierungen hinzurechnete.
Bei einer sich danach ergebenden Gesamtarbeitszeit von 9.315 Minuten arbeitete der Kläger
- 3.995 Minuten (entsprechend 42,9 %) außerhalb geschlossener Stationen und ohne patientenbezogene Zusammenhangstätigkeiten,
- 1.720 Minuten (entsprechend 18,5 %) außerhalb geschlossener Stationen ohne Patientenkontakt mit patientenbezogenen Zusammenhangstätigkeiten,
- 3.600 Minuten (entsprechend 38,6 %) in geschlossenen Stationen oder direktem Patientenkontakt.
Mit Wirkung ab 01.09.1999 stellte das beklagte Land die Zahlung der Zulage ein, ohne dass sich der Arbeitsbereich geändert hatte. Mit Schreiben vom 24.08.1999 machte der Kläger seinen Anspruch auf Weitergewährung der Vollzugszulage geltend.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er erfülle unverändert ...