Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Sexuelle Belästigung
Leitsatz (amtlich)
Sexuelle Übergriffe eines Vorgesetzten (tätliche Belästigungen) während der Arbeitszeit gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen rechtfertigen regelmäßig eine fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung, wenn es sich um äußerst massive tätliche Belästigung handelt.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 28.02.2000; Aktenzeichen 13 Ca 129/99) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28. Februar 2000 – 13 Ca 129/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Der am geborene Kläger, welcher verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, stand seit dem 01. Mai 1972 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2. bzw. deren Rechtsvorgängerin und war als Schwerpunktreiseleiter zuletzt zuständig für die Region und Aufgrund interner Umstrukturierung innerhalb des Konzerns der Beklagten zu 2. wurde der Kläger zum 01. Januar 1998 für die Beklagte zu 1. tätig. Diese zahlte ihm zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von etwa 4.575,00 DM nebst garantiertem Bonus, welcher 1998 14.000,00 DM betragen hat.
Mit Schreiben vom 03. Juni 1999 (Fotokopie Bl. 14 d. A.), dem Kläger zugegangen am selben Tage, kündigte die Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 20. Juni 1999, hilfsweise fristgemäß zum 31. Januar 2000.
Mit seiner am 22. Juni 1999 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung mit den Anträgen:
- im Verhältnis zur Beklagten zu 1. festzustellen, daß das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 03.06.1999 nicht beendet wurde.
- im Verhältnis zur Beklagten zu 2. festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 03.06.1999 unwirksam ist und daß die im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien erworbenen Arbeitnehmerrechte des Klägers zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus unverändert fortbestehen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 107 bis 111 d. A.), die erstinstanzlichen Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der zu den Akten erster Instanz gelangten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht Hannover hat nach Beweisaufnahme (vgl. die erstinstanzliche Sitzungsniederschrift vom 28. Februar 2000, Bl. 95 bis 98 d. A.) durch das am 28. Februar 2000 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 106 bis 120 d. A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 17.225,00 DM festgesetzt. Es hat angenommen die zulässige Klage sei nicht begründet. Gegenüber der Beklagten zu 2. sei die Klage schon deshalb unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe. Das zwischen der Beklagten zu 1. und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung vom 03. Juni 1999 mit der von der Beklagten zu 1. eingeräumten Auslauffrist zum 20. Juni 1999 aufgelöst worden. Die Beklagte zu 1. habe das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme vom 28. Februar 2000 stehe zur Überzeugung der Kammer fest, daß der Kläger am 12. Mai 1998 die Zeugin N. in grober Weise sexuell belästigt habe, indem er sie zu sexuellen Handlungen und Duldungen aufgefordert habe, obwohl er aus ihren Reaktionen habe ableiten müssen, daß dies von der Zeugin abgelehnt werde. Die Zeugin habe glaubhaft bekundet, daß sie sich vom Zungenkuß des Klägers, den sie nicht erwidert habe, überrumpelt gefühlt habe und nicht gewußt habe wie sie sich verhalten sollte. Sie habe dargelegt, daß die sexuell bestimmten körperlichen Berührungen und Aufforderungen des Klägers ihr unangenehm gewesen seien und sie diese nicht gewollt habe. Die Annäherungen des Klägers hätten bei ihr zu großer Verwirrung geführt und sie habe Angst um ihre berufliche Zukunft gehabt. Freimütig habe auch die Zeugin eingeräumt, daß sie den Kläger beim Kuß an dem Aufsichtspunkt nicht weggeschubst und sich bei dem letzten Stop auf dem Waldweg darauf eingelassen habe, mit ihm noch ein Stück zu laufen. Sie habe jedoch glaubhaft ausgesagt, daß es in dem Augenblick, als der Kläger ihr erstmals seine Zunge in den Mund gesteckt habe in ihrem Kopf angefangen habe zu rotieren. Nachvollziehbar sei auch, daß sie in diesem Moment Angst wegen beruflicher Konsequenzen gehabt habe, weil ihr sehr an der gelegen sei und klar gewesen sei, daß der Kläger am längeren Hebel gesessen und sie evtl. habe versetzen lassen können. Auch habe die Zeugin freimütig eingeräumt, daß sie den Kläger weder damals noch heute gemocht habe und ...