Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung bei Betriebsstillegung. Heilung fehlender Unterrichtung über die betroffenen Berufsgruppen im Konsultationsverfahren zur Entlassung aller Beschäftigten
Leitsatz (amtlich)
Fehler in der Unterrichtung des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 KSchG führen nicht immer zur Unwirksamkeit der Kündigung. Durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates können ggf. Formfehler geheilt werden. Auch Fälle teilweise fehlerhafter Unterrichtung wie die fehlende Angabe der Berufsgruppen gegenüber dem Betriebsrat führen dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn dies keine Folgen für die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Prüfung durch den Betriebsrat hat. Das ist bei der Entlassung aller Arbeitnehmer der Fall.
Normenkette
KSchG § 17 Abs. 2 S. 1, § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Lingen (Entscheidung vom 23.10.2014; Aktenzeichen 3 Ca 191/14) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 23.10.2014 - 3 Ca 191/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Massenentlassung.
Der Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 16. August 1982 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Sein Brutto-Monatseinkommen betrug zuletzt 3.000,00 Euro. In dem Betrieb wurden mehr als 10 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt. Es bestand ein Betriebsrat. Das zuständige Amtsgericht eröffnete über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten am 1. Dezember 2013 zum Insolvenzverwalter. Dieser traf die Entscheidung, den Betrieb stillzulegen. Er informierte hierüber den Betriebsrat. Am 4., 12. und 19. Dezember 2013 fanden Verhandlungen über einen Interessenausgleich statt. Am 19. Dezember 2013 wurde der Interessenausgleich finalisiert und versandt, auch an den Vertreter des Betriebsrates. Dieser bestätigte am 20. Dezember, dass der Interessenausgleich in der so verschriftlichen Form abgeschlossen werden könne. Am 23. Dezember 2013 fand ein weiterer Termin mit dem Betriebsrat statt, in dem der Interessenausgleich unterzeichnet wurde. Er hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Präambel
Eine Aufrechterhaltung der Produktion ist angesichts der Umsätze und der notwendigen Umsätze von lediglich 1.300.000 € handelnd und einer monatlichen Vollkostenbelastung von 2.000.000 € nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses am 01.12.2013 die Betriebsstillegung des Unternehmensträgers A. im Ganzen beschlossen.
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Interessenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig aus Gründen der Lesbarkeit zusammen Mitarbeiter) des Betriebes, soweit sie von Maßnahmen nach §§ 2,3 dieses Interessenausgleichs betroffen sind und dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegen. Leitende Angestellte gern. § 5 Abs. 2 BetrVG sind ausdrücklich vom Geltungsbereich dieses Interessenausgleichs ausgenommen.
(2) Die Insolvenzschuldnenn, die A. GmbH & Co.KG, die B. GmbH, die C. GmbH & Co. KG sowie die D. GmbH und E. GmbH haben einen gemeinschaftlichen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gebildet. Dieses haben die Firmen und die Gesellschaften u.a. auch im Tarifvertrag vom 21.01.2013 und 14.02.2013 vereinbart.
§ 2 Unternehmerische Maßnahmen
(1) Gegenstand des Interessenausgleiches ist die Stilllegungsentscheidung des Insolvenzverwalters am 01.12.2013, den Betrieb des Unternehmensträgers A. am Standort in F. Stadt zu schließen.
(2) Durch die Betriebsstilllegung entfallen alle Arbeitsplätze in sämtlichen Betriebsteilen spätestens zum 28.02.2014.0b unternehmensübergreifende Arbeitsplätze bei den Unternehmen C., D. und B. GmbH entfallen, ist nicht Gegenstand dieses Interessenausgleichs.
Die Auslaufproduktion- und Abwicklungsarbeiten, die bis spätestens zum 28 Februar 2014 abgeschlossen sein werden, werden mit Auslauf der Produktion von zurzeit 90 Mitarbeitern und 20 Auszubildenden durchgeführt. Sämtliche übrigen Mitarbeiter von insgesamt 257 der A. sind vom Insolvenzverwalter bereits freigestellt worden. Die Abwicklungsarbeiten erfolgen in der Auslaufproduktion, den Bereichen Buchhaltung, Personal und Verkauf.
(3) Dementsprechend wird der Insolvenzverwalter sämtlichen Mitarbeitern des Betriebes der A. betriebsbedingt kündigen.
§ 3 Durchführung des Personalabbaus
(1) Der Insolvenzverwalter wird sämtliche bei der A. beschäftigten Mitarbeiter durch betriebsbedingte Kündigungen entlassen. Die Entlassungen werden unter Einhaltung der jeweils geltenden Kündigungsfristen i. V. m. § 113 Ins° durchgeführt. Somit gilt eine Höchstkündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, sofern sich nicht aus den Einzelverträgen oder dem Tarifvertrag eine kürzere Kündigungsfrist ergibt.
(2) Die...