Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall von Ansprüchen eines in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindlichen Gewerkschaftssekretärs aus der Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ansprüche einer Gewerkschaft gegenüber einem von ihr entsandten Aufsichtsratsmitglied sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne einer Ausschlussfrist. Die enge Verknüpfung des Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis ist zu bejahen, wenn die Aufsichtsratstätigkeit ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung zu den Kernaufgaben der Stelle eines gewerkschaftlichen Tarifsekretärs gehört.

2. Die Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandates durch einen Gewerkschaftssekretär behält auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit den Charakter einer sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Tätigkeit.

3. Die Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandates durch einen Gewerkschaftssekretär besitzt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine enge Verknüpfung mit diesem, wenn das Mandat auf einer noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses erfolgten Aufsichtsratswahl beruht.

4. Eine Ausschlussfrist, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, umfasst wegen des einheitlichen Lebensvorgangs auch außerhalb des Arbeitsvertragsrechts stehende Anspruchsgrundlagen. Sie erfasst vorliegend neben den arbeitsvertraglichen auch die vereinsrechtlichen und die auf ein Nominierungsverhältnis bei der klagenden Gewerkschaft gestützten Abführungsansprüche gegenüber einem Gewerkschaftssekretär, der zugleich Mitglied der Gewerkschaft ist und sich von ihr zur Wahl hat aufstellen lassen.

5. Die Fälligkeit eines Anspruchs iS einer Ausschlussfrist tritt im Fall der Abführungspflicht von Aufsichtsratstantiemen an dritte Bildungswerke erst dann ein, wenn die Gewerkschaft weiß oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis darüber erlangt hätte, wann der Gewerkschaftssekretär in welcher Höhe Tantiemen gezahlt erhalten hat und inwieweit er seiner Abführungspflicht an die Bildungseinrichtungen nachgekommen ist.

6. Eine Gewerkschaft beachtet nur dann die gebotene Sorgfalt iS einer Ausschlussfrist, wenn sie sicherstellt, dass sie in angemessener Zeit nach dem Verstreichen des 31.12. des Zuflussjahres von den Bildungseinrichtungen, zu deren Gunsten die Abführungspflicht besteht, darüber benachrichtigt wird, inwieweit der das Aufsichtsratsmandat ausübende Gewerkschaftssekretär seinen Abführungspflichten nachgekommen ist.

7. Die für die Fälligkeit eines Anspruchs iS einer Ausschlussfrist notwendige Kenntnis über das Bestehen von Abführungsansprüchen und deren Höhe erlangt eine Gewerkschaft auch über die von ihr eingesetzten sog. Abführungsbeauftragten. Die Kenntnis solcher gerade zum Zweck der Ermittlung von Abführungsverpflichtungen eingesetzten Hilfspersonen hat sich die Gewerkschaft zurechnen zu lassen.

8. Ob Vereinbarungen über eine Pflicht zur Abführung von Aufsichtsratstantiemen zwischen Gewerkschaften und ihren Sekretären grundsätzlich wirksam sind, konnte aufgrund des Umstandes, dass sie vorliegend jedenfalls verfallen waren, offen bleiben.

 

Normenkette

MitbestG §§ 19, 7 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 14.10.2013; Aktenzeichen 13 Ca 91/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14.10.2013 - 13 Ca 91/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gewerkschaft, beansprucht von dem bei ihr als Gewerkschaftssekretär beschäftigten Beklagten die Abführung von Aufsichtsratsvergütungen. Der Beklagte hält sich hierzu insbesondere deshalb nicht für verpflichtet, weil die klägerischen Forderungen in Anwendung einer Ausschlussfrist bereits verfallen seien.

Der Beklagte war bei der Klägerin vom 1.5.1991 bis zum 31.12.2008 beschäftigt. Aufgrund eines Altersteilzeitvertrages vom 12./15.12.2003 (Bl. 144, 145 d.A.) nebst Ergänzung vom 16.3.2004 (Bl. 146, 147 d.A.) und Zusatz vom 16.1.2006 (Bl. 148 d.A.) befand er sich vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2008 in Altersteilzeit, davon vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008 in der Freistellungsphase. Der Beklagte ist auch Gewerkschaftsmitglied der Klägerin.

Für die Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin galt zuletzt die Tätigkeitsbeschreibung gem. § 2 Ziffer 3 der Gesamtbetriebsvereinbarung "Entgeltsystem" EG Nr. 8.2.4 "Gewerkschaftssekretär/in mit überwiegender Tätigkeit in der Tarifarbeit (Tarifsekretär/in)" (Bl. 75-76R d.A.). Diese bestimmt unter "Kernaufgaben der Stelle" im Unterpunkt "Gremienarbeit und Gremienberatung", dass zu den Aufgaben eines Tarifsekretärs u.a. die "Mitarbeit in externen Gremien, Ausschüssen, AG etc. (z.B. Aufsichtsräte, Verwaltungsausschüsse)" gehört.

Bei der Klägerin existiert eine durch deren Gewerkschaftsrat im Mai 2002 beschlossene Richtlinie zur Aufsichtsratswahl sowie eine Richtlinie "Abführungsverpflichtungen von Aufsichtsratsmitgliedern mit Änderungen durch den Gewerkschaftsrat November 2005" (Bl. 15, 16 d.A.). Letztere bestimmt in ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge