Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für Müllwerker
Leitsatz (amtlich)
1. Zusatzurlaub gemäß § 42 BMT-G wegen der Verrichtung gesundheitsgefährdender Tätigkeiten ist nur zu gewähren, wenn der Arbeiter zu mehr als 50 % seiner individuellen regelmäßigen Arbeitszeit Tätigkeit tatsächlich verrichtet, die nachweisbar im konkreten Fall ein deutlich gesteigertes Gesundheitsrisiko mit sich bringen.
2. Es gibt keine wissenschaftlich gesicherten Erkentnisse, dass Müllwerker einer Belastung mit Staub und/oder luftgetragenen Mikroorganismen ausgesetzt sind, die zu einem signifikant erhöhten Gesundheitsrisiko führt.
Normenkette
MT-G § 42B
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 20.11.2001; Aktenzeichen 1 Ca 456/00) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 20.11.2001 – 1 Ca 456/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf Gewährung tariflichen Zusatzurlaubs für gesundheitlich gefährdete Arbeiter für das Urlaubsjahr 1999.
Der Kläger ist seit 1990 im Abfallwirtschaftsbetrieb der Beklagten als vollzeitbeschäftigter Müllwerker beschäftigt. Er ist als Lader für den Abtransport von Bio-Hausmüll tätig. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen (BMT-G) Anwendung.
Die Beklagte gewährte dem Kläger – wie allen anderen bei ihr beschäftigten Müllwerkern – bis einschließlich 1998 jährlich vier Tage Zusatzurlaub nach § 42 BMT-G in Verbindung mit den Richtlinien in Anlage 11 zum BMT-G. Seit dem Urlaubsjahr 1999 gewährt die Beklagte den Zusatzurlaub nur noch den im Bereich der Sperrmüllabfuhr eingesetzten Müllwerkern.
§ 42 BMT-G bestimmt:
(1) Arbeiter, die unter erheblichen gesundheitlichen Gefahren arbeiten, erhalten einen Zusatzurlaub, sofern sie diese Arbeiten überwiegend, d. h. während mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit, verrichten.
(2) Welche Arbeiten als gesundheitsgefährdende gelten und in welcher Höhe Zusatzurlaub zu gewähren ist, wird im Rahmen der Richtlinien in Anlage 11 bezirklich geregelt.
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Die Richtlinien gemäß § 42 Abs. 2 BMT-G vom 1. April 1962 enthalten folgende Regelung:
(1) Ein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht nicht schon dann, wenn der Arbeiter nur der Einwirkung von Hitze, Nässe und dgl. ausgesetzt ist, vielmehr muss die Arbeit zu einem wesentlichen Teil durch die Beanspruchung infolge solcher Einflüsse bestimmt sein. So muss z. B. die Hitze in außerordentlichem Grade einwirken, wie das bei der Strahlung glühender Körper, von Glüh- und Schmelzöfen größerer Ausdehnung, von rotglühenden oder flüssigen Metallmassen größeren Umfangs, bei der Arbeit an heißen Ofen oder dgl. der Fall ist. Zusätzlich erschwerende klimatische oder arbeitsmäßige Bedingungen, wie z. B. große Feuchtigkeit, können jedoch schon bei weniger hohen Temperaturen den Zusatzurlaub rechtfertigen.
(2) Es ist weiterhin vorauszusetzen, dass der einzelne Arbeiter den in Frage stehenden Einwirkungen bei seiner regelmäßigen Tätigkeit während des überwiegenden Teiles seiner regelmäßigen Arbeitszeit im Urlaubsjahr ausgesetzt ist. Der Zusatzurlaub steht nicht zu, wenn die Gefährdung oder Einwirkung nur zeitweilig, z. B. an einzelnen Tagen der Woche oder nur stundenweise, oder gelegentlich gegeben ist.
(3) Im nachstehenden Verzeichnis werden beispielsweise Tätigkeiten aufgeführt, die für die Gewährung eines Zusatzurlaubs in Betracht kommen. Es ist jedoch nicht allein ausreichend, dass eine der genannten Tätigkeiten ausgeübt wird. Vielmehr müssen die grundsätzlichen Voraussetzungen auch im einzelnen Falle voll erfüllt sein, andernfalls besteht kein entsprechender Anspruch. Wenn z. B. die Anlagen für die Herstellung oder Verarbeitung schädlicher Stoffe so eingerichtet sind, dass die mit ihnen arbeitenden Personen schädigenden Einwirkungen nicht ausgesetzt sind, steht kein Zusatzurlaub zu. Die Frage, ob erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit im einzelnen Fall bestehen, richtet sich nach den örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten und Schutzvorrichtungen.
(4) Verzeichnis:
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Müllabfahren
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Der bezirkliche Zusatztarifvertrag für Niedersachsen zu § 42 Abs. 1 und Abs. 2 BMT-G vom 10. April 1964 sieht in § 1 die Gewährung eines Zusatzurlaubs von vier Arbeitstagen im Urlaubsjahr vor.
Die Beklagte setzt in ihrem Abfallwirtschaftsbetrieb zwei unterschiedliche Typen von Müllfahrzeugen ein. Im Bereich der Papier- und Sperrmüllabfuhr sowie für den Abtransport der gelben Säcke für das Duale System Deutschland (DSD) benutzt sie ein Pressplattensystem.
Für den Abtransport von Rest- und Biomüll setzt sie dagegen seit 1996 das Lotussystem mit Kammschüttung ein. Es handelt sich bei diesem System nicht um eine Automatikschüttung. Das optische Erscheinungsbild der Müllfahrzeuge, die mit dem Lotussystem ausgerüstet sind, ergibt sich aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. März 2001 eingereichten Lichtbildern B 1–6 (Hülle Bl. 23 d.A. im Parallel...