Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersdikriminierung. Altersgrenze. Pilot. Unwirksamkeit einer tarifvertraglichen Altersgrenze für Piloten

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 27 des Manteltarifvertrages für das Cockpitpersonal der Beklagten enthaltene Befristung auf die Vollendung des 60. Lebensjahres verstößt gegen die EG-Richtlinie 78/2000 und ist deshalb unwirksam.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 7

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 29.07.2008; Aktenzeichen 13 Ca 97/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 29.07.2008, 13 Ca 97/08, abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 29.02.2008 beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vorbehaltlich fliegerärztlich bescheinigter Flugtauglichkeit auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 20.01.1977 zu unveränderten Bedingungen als Flugkapitän weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer tariflichen Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis des Cockpitpersonals spätestens mit Ablauf des Monats endet, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird.

Der am 0.0.1948 geborene Kläger ist seit dem 20.01.1977 bei der Beklagten beschäftigt und bezog zuletzt als Pilot im Rang eines Flugkapitäns eine monatliche Bruttovergütung von 13.504,85 EUR.

Nach dem Arbeitsvertrag vom 20.01.1977 (Bl. 64 – 65 d.A.) finden der Mantel- und der Vergütungstarifvertrag für das Bordpersonal der HL-Flug auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Manteltarifvertrag für das Cockpitpersonal der Hapag-Lloyd Fluggesellschaft mbH vom 02.06.2004 (Bl. 76 – 97 d.A.) enthält unter anderem folgende Regelungen:

§ 27 Altersgrenze

(1)

Das Arbeitsverhältnis des Cockpitpersonals endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird.

Es kann im gegenseitigen Einvernehmen auch vor dem 60. Lebensjahr, aber nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahres beendet werden.

HF wird versuchen, einem aufgrund der Altersgrenze ausscheidenden Arbeitnehmer des Cockpitpersonals eine Tätigkeit am Boden anzubieten.

(2)

Arbeitnehmer können bei Erreichen der Altersgrenze bei Vorliegen voller Leistungsfähigkeit in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Angehöriger des Bordpersonals kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der HF, noch auf Seiten des Arbeitnehmers.

Nach dem Tarifvertrag Nr. 1 Versorgung und Versicherungen für das Cockpitpersonal vom 01.07.2006 (Bl. 137 – 154 d.A.) erhalten Angehörige des Cockpitpersonals für den Zeitraum zwischen dem Ausscheiden aus dem fliegerischen Beschäftigungsverhältnis und dem Eintritt in das Rentenalter eine Übergangsversorgung, die maximal 35 % der individuell erreichten Endstufe des monatlichen Gehalts beträgt.

Mit Schreiben vom 28.12.2007 (Bl. 98 d.A.) und vom 07.01.2008 beantragte der Kläger die Weiterbeschäftigung über das 60. Lebensjahr hinaus. Die Beklagte lehnte eine Weiterbeschäftigung des Klägers unter Hinweis auf die in dem Manteltarifvertrag geregelte Altersgrenze mit Schreiben vom 23.01.2008 (Bl. 99 d.A.) ab. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner am 19.02.2008 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß Anstellungsvertrag vom 20.01.1977 – vorbehaltlich fliegerärztlich bescheinigter Flugtauglichkeit – über den 29.02.2008 hinaus fortbesteht;
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger – vorbehaltlich fliegerärztlich bescheinigter Flugtauglichkeit – auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 20.01.1977 zu unveränderten Bedingungen als Flugkapitän weiter zu beschäftigen;
  3. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz dafür zu leisten, dass er bei fortbestehender Eignung als Flugzeugführer im gewerblichen Luftverkehr wegen Beschäftigungsverweigerung der Beklagten einer anderen, geringer vergüteten Beschäftigung nachgehen muss oder arbeitslos ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein dem Kläger am 08.08.2008 zugestelltes Urteil vom 29.07.2008, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 157 – 171 d.A.), abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 29.08.2008 eingelegte und am 07.10.2008 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger ist der Auffassung, die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf die Vollendung des 60. Lebensjahres beinhalte eine Diskriminierung wegen seines Alters und sei deshalb unwirksam. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge