Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf nur einen Teil der kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien. Unbegründete Zahlungsklage einer Alltagsbegleiterin im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten keine normative Wirkung, sondern können als vom jeweiligen Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen lediglich kraft einzelvertraglicher Einbeziehung auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden sein.

2. Es obliegt allein dem Diakonischen Werk in Niedersachsen e.V., auf ihre Mitglieder dahin einzuwirken, die AVR im Verhältnis zu den Mitarbeitern anzuwenden. Die staatlichen Gerichte sind hierzu nicht berechtigt.

3. Die Bezugnahme auf nur einen Teil der AVR-EKD ist wirksam. Weder die Vergütungsregelung in dem Arbeitsvertrag vom 23.01.2014 noch deren Änderung durch die am gleichen Tag abgeschlossene Zusatzvereinbarung sind überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB oder unklar, unverständlich und damit intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

4. Es ist nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, wenn die Beklagte ihren Mitarbeitern von den Arbeitsvertragsrichtlinien abweichende Lohnerhöhungen zusagt.

5. Die Regelungen des ARRG-D und ARGG-EKD sind keine Schutznormen im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

 

Normenkette

AVR.DD; BGB §§ 242, 305, 823 Abs. 2; GG Art. 140; BGB § 138 Abs. 1-2, § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 2, § 611 Abs. 1; AVR-Diakonie § 15 Abs. 1, § 20a Abs. 1 Buchst. a), Buchst. b), Buchst. c), § 45; AVR-Diakonie Anlage 14

 

Verfahrensgang

ArbG Göttingen (Entscheidung vom 05.07.2016; Aktenzeichen 2 Ca 53/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.05.2018; Aktenzeichen 6 AZR 308/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 05.07.2016, 2 Ca 53/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Vergütungsanspruch auf der Basis der AVR.DD zusteht.

Die am 0.0.1963 geborene, verheiratete Klägerin war vom 17.02.2014 bis zum 31.01.2016 bei der Beklagten als Alltagsbegleiterin tätig. Die Beklagte beschäftigt etwa 130 Mitarbeiter und betreibt eine stationäre Altenhilfe, ambulante Pflege, Tagespflege sowie betreutes Wohnen. Sie ist eine privatrechtliche gemeinnützige GmbH und Mitglied im Diakonischen Werk in Niedersachsen e.V.. Bei der Beklagten besteht eine Mitarbeitervertretung.

Dem Arbeitsverhältnis liegt der ursprünglich bis zum 28.02.2015 befristete Arbeitsvertrag vom 23.01.2014 (Bl. 25-26 d.A.) zugrunde. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

4. Höhe und Zusammensetzung der Vergütung richten sich nach:

Im Einzelnen gilt:

Das Arbeitsentgelt erfolgt nach Entgeltgruppe 3 des AVR-EKD in der Stufe

Einarbeitungsstufe

16. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich erhoben wird.

Ebenfalls unter dem 23.01.2014 trafen die Parteien eine Vereinbarung über die "Änderung der Arbeitsbedingungen mit Wirkung ab Juli 2011 bis Dezember 2015" (Bl. 29 d.A.) mit folgendem Inhalt:

1. In der Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2015 erhöht sich mein monatliches Entgelt um jeweils 1,25 % jeweils zum 01.07. dieser Jahre. Weitere Erhöhungen des monatlichen Entgeltes finden nicht statt.

2. Einen Anspruch auf Jahressonderzuwendung besteht nur zur Hälfte; die zweite Hälfte kann für 2011 bis 2015 auch dann nicht beansprucht werden, wenn das Betriebsergebnis positiv sein sollte.

Die damit nicht zur Auszahlung an mich gelangenden Gehaltsanteile stelle ich meinem Arbeitgeber, der C gGmbH, uneingeschränkt zur Verfügung.

Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass ich diese Vereinbarung freiwillig und ohne Zwang unterschreibe.

Alle sonstigen Punkte des Arbeitsvertrages sowie bereits getroffene Zusatzvereinbarungen behalten ihre Gültigkeit, sofern diese hiermit nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden.

Bis zum 31.07.2014 arbeitete die Klägerin mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 11. Durch Vereinbarung vom 25.07.2014 (Bl. 27 d.A.) wurde die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 25 Stunden erhöht.

Durch Zusatzvereinbarung vom 16.02.2015 wurde die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.01.2016 verlängert.

Die Klägerin wurde von der Beklagten in der Entgeltgruppe 3 der AVR-EKD (nunmehr AVR.DD - Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind) eingruppiert. Entgelterhöhungen nahm die Beklagte entsprechend der Änderung der Arbeitsbedingungen vom 23.01.2014 zum jeweils 01.07. eines Jahres vor. Die Entgeltentwicklung nach den AVR.DD war höher; Bezug genommen wird auf die Dars...

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