Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung. Elternzeit. Sozialplan. Teilzeitbeschäftigung. Bemessung einer Sozialplanabfindung bei Teilzeittätigkeit während der Elternzeit. Verfassungswidrige Bemessung der Sozialplanabfindung bei Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Berechnung einer Sozialplanabfindung kann auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers abgestellt werden. Die Betriebsparteien dürfen aber auch eine die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung vornehmen.
2. Es verstößt gegen die Wertungen des Art. 6 GG, wenn Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, damit rechnen müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeit mitzählen.
3. Der Schutzzweck des Art. 6 GG wird auch beeinträchtigt, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung, während der Elternzeit nach § 15 Abs. 4 BEEG Teilzeitarbeit auszuüben, damit rechnen muss, dass diese Teilzeittätigkeit bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen zu einer geringeren Abfindung führt als bei einer Nichttätigkeit.
4. Eine Regelung in einem Sozialplan, die dazu führt, dass Arbeitnehmerinnen, die von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, während der Elternzeit in teilweise sehr geringfügigem Umfang in Teilzeit tätig zu werden, deutlich schlechter behandelt werden als die Arbeitnehmerinnen in Elternzeit, die überhaupt nicht tätig werden, ist unwirksam.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6; BEEG § 15 Abs. 4; BetrVG § 112 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 17.04.2012; Aktenzeichen 10 Ca 654/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14.04.2012, 10 Ca 654/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf eine höhere Sozialplanabfindung zusteht, weil sie aufgrund ihrer während ihrer Elternzeiten geleisteten Teilzeittätigkeit eine geringere Abfindung erhält als wenn sie in dieser Zeit überhaupt nicht gearbeitet hätte.
Die am 00.00.1972 geborene Klägerin war vom 01.08.1992 bis zum 30.09.2011 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Chemielaborantin beschäftigt. Sie bezog zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 2.017,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden.
Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 18.05.1995 (Bl. 15 - 18 d.A.) zu Grunde.
Das US-Pharmaunternehmen A. übernahm Anfang 2010 das weltweite Pharmageschäft der belgischen S. im Wege eines Share-Deals. Dazu gehörten auch sämtliche Anteile der S.P.GmbH A-Stadt. Sie wurde dadurch Teil des Konzerns von A.. Durch Gesellschafterbeschluss vom 16. Februar 2010 firmierte die S.P.GmbH in die Beklagte um.
Die neue Firmeninhaberin überprüfte die Forschungs- und Entwicklungsprojekte der ehemaligen S.P.GmbH und entschloss sich, einen Großteil der dort angesiedelten Forschungs- und Entwicklungsprogramme nicht fortzuführen. Die Überprüfung ergab ferner, dass die Commercial Headquarter-Aktivitäten in A-Stadt aufgelöst und von der bei der A. bestehenden globalen Commercial-Organisation an verschiedenen Standorten weltweit angegliedert werden sollten. Das führte zu einer Anpassung der unterstützenden Funktionen an die neue Größe und die geänderten Aufgaben des Betriebes in A-Stadt.
Die Beklagte vereinbarte am 18. März 2011 mit dem bei ihre gebildeten Betriebsrat sowohl einen Interessenausgleich mit Namensliste als auch einen Sozialplan (Bl. 6 - 14 d.A.).
Dieser Sozialplan enthält unter II. u.a. folgende Regelungen:
2. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem Abschluss dieses Sozialplanes aufgrund der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahme betriebsbedingt gekündigt wird oder mit denen aus diesem Grund zugleich oder im Anschluss ein Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag geschlossen wird, haben Anspruch auf eine Abfindung nach den folgenden Regelungen:
Bruttomonatsentgelt x Lebensalter x Betriebszugehörigkeit / 27
5. Bei Teilzeitarbeitnehmern, die beim Arbeitgeber zuvor auch in Vollzeit gearbeitet haben, errechnet sich ein fiktives Bruttomonatsentgelt aus dem durchschnittlichen Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen oder bei außertariflichen Angestellten zur betriebsüblichen Arbeitszeit in einem Vollzeitarbeitsverhältnis während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. Für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, fließt das im Zeitpunkt vor dem Eintritt in die Ruhephase bezogene Bruttomonatsentgelt in die Berechnung ein.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin in der Folgezeit fristgerecht zum 30.09.2011.
Bei der Berechnung der Sozialplanabfindung legte die Beklagte für Arbeitnehmer, die zu irgendeinem Zeitpunkt in Teilzeit gearbeitet haben - gleich, ob aufgrund von Elternzeit oder aus anderem Grund - ein fiktives Bruttomonatsentgelt aus dem durchschnittlichen Verhältnis ihrer vertr...