Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungssicherung nach dem TVRatAng
Leitsatz (amtlich)
Die Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 TVRatAng verstößt gegen Art. 3 I GG, soweit Angestellte, die auf Veranlassung des Arbeitgebers an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen, bei der die für die Ausübung der übertragenen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse erworben oder vertieft werden, und deshalb die in § 6 Abs. 2 lit. b TVRatAng aufgeführten Zulagen länger als zwei Monate nicht erhalten, vom Bestandsschutz ausgenommen sind.
Normenkette
TV über Rationalisierungsschutz für Angestellte § 6
Verfahrensgang
ArbG Lingen (Urteil vom 27.06.2001; Aktenzeichen 2 Ca 102/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 27.06.2001 – 2 Ca 102/01 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Sicherungsbetrag nach § 6 des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 zu gewähren, in dem die bis August 2000 gezahlte Wechselschichtzulage von zuletzt 102,26 EUR einfließt unter Beachtung von § 6 Abs. 3 bis 8 TV RatAng.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Vergütungssicherung nach dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 (TV RatAng).
Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) mit den ihn ergänzenden Tarifverträgen Anwendung. Die Klägerin war seit Beginn ihrer Tätigkeit in der Standortverwaltung L. im Fernmeldezentrum eingesetzt. Sie war als Fernschreiberin tätig. Sie wurde in der Leitvermittlungsstelle an einer rechnergesteuerten vollautomatischen Fernschreib-Speichervermittlung eingesetzt. 37 % ihrer Gesamttätigkeit entfiel auf das Bedienen und Überwachen der Betriebssteuerplätze (Kontroll- und Steuerkonsolen). Sie musste dabei routinemäßig Syntaxeingaben vornehmen und bei Störungen eingreifen. Sie hatte vorgegebene Befehlsreihenfolgen einzuhalten. Langtexte gab sie im Rahmen dieser Tätigkeit nicht ein. Fehlerhafte Fernschreiben wurden an einem von drei vorhandenen PC's bearbeitet. 16 % ihrer Tätigkeit entfielen auf das Archivieren, Wiederauffinden und Aussenden von Fernschreiben, weitere 10 % auf das Bedienen von Peripheriegeräten des Betriebssteuerplatzes wie Schnelldrucker und Platten-Bandlaufwerke. Das Archivieren und das Bedienen von Peripheriegeräten war mit der Bedienung des Betriebssteuerplatzes untrennbar verbunden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Tätigkeit wird auf die Tätigkeitsbeschreibung vom 21.11.1994 (Bl. 188 bis 193 d. A.) Bezug genommen. Bei der Tätigkeit als Fernschreiberin hatte die Klägerin keinen Umgang mit nicht zur Dienststelle gehörenden Personen.
Aufgrund der technischen Entwicklung war das Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 2 BAT bei rechnergesteuerten vollautomatischen Fernschreibvermittlungen vom Wortlaut her nicht mehr anwendbar. Die Vergütung der mit derartigen Tätigkeiten betreuten Angestellten richtete sich im Zuständigkeitsbereich der Beklagten deshalb nach der Anlage zum Erlass des Bundesministers der Verteidigung – S II 3 – Az. 18–20–15–01 vom 17.07.1986, auf die Bezug genommen wird (Bl. 164 f. d. A.). Die Klägerin war nach Maßgabe der darin enthaltenen Tätigkeitsmerkmale in die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 BAT eingruppiert. Im Wege des Bewährungsaufstiegs war sie in die Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 2 BAT eingruppiert. Sie erhielt seit Beginn ihrer Tätigkeit eine Schichtzulage von zuletzt 102, 26 EUR (200,00 DM) brutto. Die Zulage wurde lediglich in der Zeit vom 01.04. bis zum 27.06.1997 nicht gewährt. In diesem Zeitraum war die Klägerin zur Teilnahme am Lehrgang „AFDN-Bw-Erstausbildung für das Betriebspersonal” abgeordnet. Auf die Abordnungsverfügung vom 17.03.1997 (Bl. 43 d. A.) wird Bezug genommen. Während der Fortbildung wurde die Klägerin in der Bedienung der Geräte geschult, die sie seit Beginn ihrer Tätigkeit bedient hatte und auch nach Abschluss der Fortbildung weiter bediente. Die Fortbildung diente insoweit der Vertiefung der erforderlichen Kenntnisse.
Im Zuge einer Rationalisierungsmaßnahme wurde das Fernmeldezentrum geschlossen. Mit Wirkung zum 14.08.2000 wurde die Klägerin zum Kreiswehrersatzamt … versetzt. Dort wird sie als Büro- und Schreibkraft eingesetzt. Sie führt dabei die Personalaufnahme im Rahmen der Musterung, der Überprüfungsuntersuchung sowie der Eignungsuntersuchung und -feststellung aus. Insbesondere erhebt sie personenbezogene Daten der Wehrpflichtigen, nimmt Anträge entgegen und händigt Personalbögen aus. Sie verrichtet ferner allgemeine Bürotätigkeiten und Schreibtätigkeiten wie Begrüßung der Besucher, Weiterleitung von Informationen, Eingabe sämtlicher Musterungsdaten in die Datenverarbeitungsanlage und Führung von Statistiken. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Tätigkeit wird auf die Tätigkeitsbeschreibung vom 30.08.2000 (Bl. 198 bis 201 d....