Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfähigkeit. Erloschene Anstalt des öffentlichen Rechts. Betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Fehlerhaft errichtete Anstalten, die als rechtsfähig im Rechtsverkehr tatsächlich aufgetreten sind, müssen ebenso wie fehlerhaft errichtete Gesellschaften des privaten Rechts im Rechtsverkehr als rechtsfähig behandelt werden.
2. Eine betriebsbedingte Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst ist nur dann zulässig, wenn ansonsten ein sinnloses Arbeitsverhältnis gegebenenfalls bis zur Pensionierung des Arbeitnehmers allein durch Vergütungszahlungen aufrechterhalten würde.
Normenkette
ZPO § 50; BAT § 55; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Urteil vom 22.02.2002; Aktenzeichen 3 Ca 441/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 22.02.2002 – 3 Ca 441/01 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Der Kläger, geboren am, verheiratet, zwei Kindern unterhaltspflichtig, habilitierter Chemiker, Fachrichtung anorganische Chemie, war seit dem 15.12.1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am (IfE) in tätig und leitete eine ihrer drei Forschungsabteilungen (Tätigkeitsbeschreibung Bl. 246 d.A.). Er erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe I a BAT. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses war der am 15.12.1989 mit der Beklagten zu 1) geschlossene Arbeitsvertrag, der den Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) und die ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge in Bezug nahm (Bl. 13 ff. d.A.).
Das Institut war ursprünglich im Jahr 1926 an der Technischen Universität H. mit Unterstützung der Privatindustrie gegründet worden. Der auf Grund Führererlasses vom 09.04.1942 als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtete Reichsforschungsrat (RGBl. I, Seite 389) verfügte am 19.02.1943 durch seinen Vorsitzenden die Errichtung als Reichsforschungsinstitut für Erdölforschung (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 27.09.2001). Nach dem Untergang des Deutschen Reiches wurde das IfE von dem neugegründeten Land Niedersachsen, dem Beklagten zu 2), verwaltet. Im Mai 1951 wurde es im Rahmen des im März 1949 geschlossenen Königssteiner Staatsabkommens in die Gesamtländerfinanzierung übernommen.
Am 02.08.1956 beschloss das Niedersächsische Landesministerium, also das Landeskabinett, dem IfE die Rechte einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts zu verleihen und gab ihm eine Satzung (NdsMinBl. 1956, 688). Die vorliegend zu 1) verklagte Anstalt trat seitdem im Rechtsverkehr als eigene Rechtspersönlichkeit auf, ernannte Beamte, schloss mit ihren Arbeitnehmern im eigenen Namen Arbeitsverträge und erwarb in Grundeigentum, wohin sie im Jahr 1983 ihren Sitz verlegte. Nach der Satzung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.03.1994 (NdsMinBl. 1994, 428) hatte sie als Organe das Kuratorium und den Direktor, wobei dem Kuratorium unter anderem die Einstellung und Entlassung der Angestellten der Vergütungsgruppe I a BAT und höher auf Vorschlag des Direktors (§ 5 lit. d IfE-Satzung) und dem Direktor unter anderem die Einstellung und Entlassung der Angestellten der Vergütungsgruppe I b BAT und niedriger (§ 6 Abs. 2 lit. c IfE-Satzung) sowie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung (§ 6 Abs. 2 lit. d IfE-Satzung) oblagen.
Im Jahr 1977 wurde das IfE in die „Blaue Liste” der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (Rahmenvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Art. 91 b GG, RV-Fo) aufgenommen. Zuwendungsgeber waren seitdem der Bund und die Länder je zur Hälfte, wobei das Land Niedersachsen auf Grund der Sitzlandquote ca. 39 % des Zuschussbedarfs trug. Am 14.07.1997 beschloss die Bund-Länder-Kommission gemäß § 7 Abs. 1 der Ausführungsvereinbarung zur RV-Fo (AV-FE) das Ausscheiden des IfE aus der gemeinsamen Förderung zum 31.12.1998. Unter dem 10.07.1998 teilte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (NMWK) der Bund-Länder-Kommission mit, dass seitens der Landesregierung entschieden worden sei, das IfE vollständig aufzulösen, da eine Fortführung mit zu hohen Restrisiken für den Landeshaushalt verbunden wäre. Am 02.09.1998 beschloss die Bund-Länder-Kommission auf Grund § 7 Abs. 4 AV-FE einen Abwicklungsplan für das IfE (Finanzmittel für die Jahre 1999 bis 2001 und Restabwicklungsfinanzierung).
Am 18.05.2001 beschloss der Niedersächsische Landtag das Gesetz über die Auflösung des (IfE-Auflösungsgesetz, NdsGVBl., Seite 300), nach dem das IfE mit Ablauf des 31.12.2001 aufgelöst wurde (§ 1). § 2 Abs. 1 IfE-Auflösungsgesetz bestimmte, dass die bis zum Zeitpunkt der Auflösung anfallenden Aufgaben der Abwicklung vom IfE wahrzunehmen waren und die nach diesem Zeitpunkt noch verbleibenden Aufgaben vom Land abgewickelt wurden. § 3...