Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine juristische Person erlischt grundsätzlich nicht mit ihrer Auflösung, sondern existiert als Liquidationspersönlichkeit weiter, bis alle Verbindlichkeiten beglichen und etwa verbliebene Aktiva an die Berechtigten ausgekehrt sind. Das gilt auch für rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, wenn ihre Liquidation auf Grund ihrer Satzung oder auf Grund ihres Errichtungsgesetzes in dieser Weise durchzuführen ist.
2. § 3 IfE-Auflösungsgesetz ist ein typischer Fall der Gesamtrechtsnachfolge.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 46; BAT § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2; IfEAuflG ND
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Urteil vom 22.02.2002; Aktenzeichen 3 Ca 442/01) |
Tenor
Unter Zurückweisung im übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 22.02.2002 – 3 Ca 442/01 – teilweise abgeändert und folgendermaßen neugefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1) durch deren außerordentlichen Kündigungen vom 28.06.2001 und 26.09.2001 nicht aufgelöst worden ist.
Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) ab dem 01.01.2002 ein Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1) besteht.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 2/5 und der Beklagte zu 2) zu 3/5 zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/7 und der Beklagte zu 2) zu 6/7 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.
Die am geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 22.04.1985 als Verwaltungsangestellte am (IfE) in C. Teilzeitbeschäftigt. Sie erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT. Grundlage ihres Arbeitsverhältnisses war der am 22.04.1985 mit der Beklagten zu 1) geschlossene, später mehrmals geänderte Arbeitsvertrag, der den Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) und die ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge in Bezug nahm (Bl. 13 ff. d.A.).
Das Institut war ursprünglich im Jahr 1926 an der Technischen Universität H. mit Unterstützung der Privatindustrie gegründet worden. Der auf Grund Führererlasses vom 09.04.1942 als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtete Reichsforschungsrat (RGBl. I, Seite 389) verfügte am 19.02.1943 durch seinen Vorsitzenden die Errichtung als Reichsforschungsinstitut für Erdölforschung (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 27.09.2001). Nach dem Untergang des Deutschen Reiches wurde das IfE von dem neugegründeten Land Niedersachsen, dem Beklagten zu 2), verwaltet. Im Mai 1951 wurde es im Rahmen des im März 1949 geschlossenen Königssteiner Staatsabkommens in die Gesamtländerfinanzierung übernommen.
Am 02.08.1956 beschloss das Niedersächsische Landesministerium, also das Landeskabinett, dem IfE die Rechte einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts zu verleihen und gab ihm eine Satzung (NdsMinBl. 1956, 688, geänderte Satzung NdsMinBl. 1994, 428). Die vorliegend zu 1) verklagte Anstalt trat seitdem im Rechtsverkehr als eigene Rechtspersönlichkeit auf, ernannte Beamte, schloss mit ihren Arbeitnehmern im eigenen Namen Arbeitsverträge und erwarb in C. Grundeigentum, wohin sie im Jahr 1983 ihren Sitz verlegte.
Im Jahr 1977 wurde das IfE in die „Blaue Liste” der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (Rahmenvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Art. 91 b GG, RV-Fo) aufgenommen. Zuwendungsgeber waren seitdem der Bund und die Länder je zur Hälfte, wobei das Land Niedersachsen auf Grund der Sitzlandquote ca. 39 % des Zuschussbedarfs trug. Am 14.07.1997 beschloss die Bund-Länder-Kommission gemäß § 7 Abs. 1 der Ausführungsvereinbarung zur RV-Fo (AV-FE) das Ausscheiden des IfE aus der gemeinsamen Förderung zum 31.12.1998. Unter dem 10.07.1998 teilte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (NMWK) der Bund-Länder-Kommission mit, dass seitens der Landesregierung entschieden worden sei, das IfE vollständig aufzulösen, da eine Fortführung mit zu hohen Restrisiken für den Landeshaushalt verbunden wäre. Am 02.09.1998 beschloss die Bund-Länder-Kommission auf Grund § 7 Abs. 4 AV-FE einen Abwicklungsplan für das IfE (Finanzmittel für die Jahre 1999 bis 2001 und Restabwicklungsfinanzierung). Am 18.05.2001 beschloss der Niedersächsische Landtag das Gesetz über die Auflösung des (IfE-Auflösungsgesetz, NdsGVBl., Seite 300), nach dem das IfE mit Ablauf des 31.12.2001 aufgelöst wurde (§ 1). § 2 Abs. 1 IfE-Auflösungsgesetz bestimmte, dass die bis zum Zeitpunkt der Auflösung anfallenden Aufgaben der Abwicklung vom IfE wahrzunehmen waren und die nach diesem Zeitpunkt noch verbleibenden Aufgaben vom Land abgewickelt wurden. § 3 IfE-Auflösungsgesetz bestimmte, dass alle Vermögensgegenstände (einschließlich Forderungen und Verbindlichkeiten) des IfE zum Auflösungsz...