Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob triftige Gründe für einen Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik (dienstzeitunabhängige Steigerung) der Altersversorgung von Gewerkschaftsmitarbeitern vorliegen, muss die Zweckbestimmung einer Gewerkschaft, die nicht auf eine Gewinnerzielung gerichtet ist, berücksichtigt werden. Gewerkschaften muss es unbenommen bleiben, bestimmte Anteile der Einnahmen vorrangig dem Vermögen zuzuführen, um so ihre Streikfähigkeit und Kampfkraft zu erhalten.
Normenkette
BGB §§ 242, 315
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 28.04.1999; Aktenzeichen 11 Ca 521/98 B) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.11.1998 – 11 Ca 521/98 B – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten zur Kürzung der zukünftigen Betriebsrente des Klägers.
Der am … geborene Kläger ist seit dem 01.10.1977 als Gewerkschaftssekretär bei der Beklagten tätig, seit 1986 in der … Gemäß Anstellungsvertrag vom 01.10.1978 richten sich Besoldung, Urlaub und die übrigen Arbeitsbedingungen „nach den jeweils vom Gewerkschaftsausschuss” beschlossenen „allgemeine Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft HBV”. Ferner heißt es im Arbeitsvertrag unter anderem:
„Die Mitgliedschaft in der Unterstützungskasse des DGB e. V. richtet sich nach der Satzung und den Richtlinien der Unterstützungskasse des Deutschen Gewerkschaftsbundes e. V.
Nach § 20 der allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft HBV regelt sich die betriebliche Altersversorgung nach den Bestimmungen der Unterstützungskasse des DGB e. V.. § 9 der Satzung der Unterstützungskasse enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„(1)
Die Unterstützungskasse zahlt lfd. Unterstützungen (Betriebsrenten). Art und Höhe der Unterstützungsleistungen bestimmen die Unterstützungs-Richtlinien in der jeweiligen Fassung. Über die Aufstellung und Änderung der Unterstützungsrichtlinien beschließt die Mitgliederversammlung.
(3)
Die Leistungsempfänger haben keinen Anspruch auf Leistungen der Unterstützungskasse….”
Für den Kläger sind maßgeblich die Unterstützungsrichtlinien aus dem Jahr 1988 (UR '88). Diese regeln in § 4 wegen des Bemessungsentgelts folgendes:
„Die versorgungsfähigen Teile des Arbeitsentgeltes im Bemessungszeitraum bilden das Bemessungsentgelt. Die letzten 12 Kalendermonate vor Eintritt des Unterstützungsfalles bilden den Bemessungszeitraum.”
Im Jahre 1995 beschlossen die Mitglieder der DGB-Unterstützungskasse eine Reform, mit der sie unter anderem eine partielle Rückdeckung der Anwartschaft einführten. Mit einer am 18.10.1996 abgeschlossenen „Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der U-Kassen-Reform vom 06.06.1995 (Versorgungsordnung 1995) und zur Eingrenzung der Versorgungsverpflichtung der Gewerkschaft HBV (ohne Gesamtversorgung UR '88)” regelten die Beklagte und der bestehende Betriebsrat unter anderem folgendes:
„1.1 Die Gewerkschaft HBV tritt ab 1. Januar 1997 der Versorgungsordnung 1995 (VersO '95) bei und löst gleichzeitig zum 31.12.96 die Versorgungszusagen nach den Unterstützungs-Richtlinien 1983 ab.
1.4. In Anwendung des § 4 Abs. 4 VersO 95 wird das Bemessungsentgelt auf 90 % des Arbeitsentgeltes nach § 4 Abs. 1 VersO 95 festgesetzt.
3. Unterstützungsrichtlinien 1983
Für Begünstigte der Unterstützungsrichtlinien 1983 in einem rentennahen Lebensalter (§ 27 der URL 1983) gelten die Unterstützungsrichtlinien 1983 weiterhin.
In Anwendung des § 4 Abs. 5 URL 1983 wird das Bemessungsentgelt auf 90 % des Arbeitsentgeltes nach § 4 Abs. 1 URL 1983 festgesetzt.
6. Schließung der Alterversorgung
Die Vertragspartner stimmen ebenfalls darin überein, daß die Schließung der betrieblichen Altersversorgung für neu eingestellte Beschäftigte ab dem 01.1.1997 sachgerecht und geboten ist.”
Hierdurch war der Kläger, für den die UR '88 gelten, nicht betroffen. Am 08.10.1997 vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat eine „Ergänzungsvereinbarung zur Betriebsvereinbarung zur Umsetzung U-Kassen-Reform vom 06.06.1995 (VersO '95) und zur Eingrenzung der Versorgungsverpflichtung der Gewerkschaft HBV vom 18.10.1996” mit unter anderem folgenden Bestimmungen:
„§ 2
3. Gesamtversorgungszusagen (URL '88)
3.1. Bei allen Anwartschaften nach den Unterstützungsrichtlinien 1988 (URL '88 – Gesamtversorgungszusagen) wird in Anwendung des § 4 Abs. 5 der Unterstützungsrichtlinien 1988 für das Bemessungsentgelt eine Obergrenze wie folgt festgesetzt:
Das Bemessungsentgelt gem. § 4 Abs. 1 der URL '88 wird ab1.1.1998 auf 90 % des Arbeitsentgeltes des Kalenderjahres1997 gem. § 4 Abs. 1 URL '88 in den Folgejahren steigern das Bemessungsentgelt umzwei Drittel der vereinbarten Erhöhung.In § 4 der URL '88 nicht genannte Einmalzahlungen bleiben unberücksichtigt. Individuelle Veränderungen des Arbeitsentgeltes (Eingruppierungen und Einstufungen) verändern das Bemessungsentgelt entspre...