Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertfestsetzung bei Vergleich. Notwendigkeit zur abschnittsweisen Festsetzung. keine Werterhöhung bei Feststellungsantrag und allgemeinem Fortbestehensantrag. Antrag auf wiederkehrende Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch dann, wenn Gerichtsgebühren entfallen, weil sich die Parteien verglichen haben, oder die Klage zurückgenommen worden ist, ist der Streitwert für ehemals rechtshängige Ansprüche nach § 9 BRAGO i.V.m. § 24 GKG festzusetzen.

2. Ändern sich die Streitgegenstände im Laufe des Verfahrens, ist der Streitwert abschnittsweise festzusetzen.

3. Dem Arbeitsgericht steht bei der Festsetzung ein Ermessenspielraum zu, der nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist. Das Landesarbeitsgericht hat keine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen (ständige Rechtsprechung des LAG Nürnberg).

4. Ein neben dem Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch eine vereinbarte Befristung nicht aufgelöst worden ist, gestellter allgemeiner Fortbestehensantrag ist nach Sinn und Zweck des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG nicht werterhöhend anzusetzen. Insoweit gilt dasselbe wie beim Zusammentreffen von punktuellem Kündigungs- und allgemeinem Fortbestehensantrag (hierzu LAG Nürnberg vom 01.07.2003, 6 Ta 85/03).

5. Stellt der Kläger neben den Feststellungsanträgen Antrag auf künftige Zahlungen monatlichen Gehaltes, so ist der Wert dieses Streitgegenstandes in denjenigen Fällen, in denen über die Höhe des Gehalts nicht gestritten wird und in denen das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruches auf Zahlung der künftigen Gehälter allein vom Ausgang des Feststellungsantrags abhängt, durch den Wertrahmen des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG begrenzt. Im Übrigen liegt wirtschaftliche Identität mit dem Feststellungsantrag vor, so dass der Antrag nicht werterhöhend wirkt.

 

Normenkette

BRAGO § 9; GKG § 24; BRAGO § 10; ArbGG § 12 Abs. 7 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 15.04.2003; Aktenzeichen 14 Ca 5100/02)

 

Tenor

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 15.04.2003 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 02.07.2003 wird abgeändert.

II. Der Streitwert wird festgesetzt wie folgt:

  1. für den Zeitraum Klageeingang bis 29.09.2002 auf EUR 5.610,–
  2. für den Zeitraum 30.09.2002 bis 06.11.2002 auf EUR 5.754,90
  3. für den Zeitraum 07.11.2002 bis 28.11.2002 auf EUR 7.624,90
  4. für den Zeitraum 29.11.2002 bis 06.03.2003 auf EUR 10.261,84
  5. ab 07.03.2003 auf EUR 7.659,06.

III. Der überschießende Vergleichswert wird festgesetzt auf zusätzlich EUR 1.870,–

IV. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Streitwert war zum Teil höher festzusetzen als im arbeitsgerichtlichen Teilabhilfebeschluss, nicht aber in der von den Beklagtenvertretern beantragten Höhe. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach §§ 9 BRAGO, 25, 24 GKG; nur die Festsetzung eines gesonderten Vergleichswertes würde sich nach § 10 BRAGO richten. Da ein solcher vom Arbeitsgericht nicht festgesetzt worden ist, war das Verfahren nach §§ 9 BRAGO, 24, 25 GKG zu beachten.

a. Bis auf die im Vergleichstext enthaltene Verpflichtung, ein Arbeitszeugnis mit bestimmter Formulierung zu erteilen, waren sämtliche Streitgegenstände beim Arbeitsgericht anhängig. Gerichtsgebühren wären angefallen, wenn die Parteien sich nicht letztlich verglichen hätten. Nur wegen des Vergleichsabschlusses sind die Gerichtsgebühren nach Nr. 9113 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 12 ArbGG) „entfallen”. Dieses Entfallen beseitigt die Maßgeblichkeit nach § 24 GKG nicht (ausführlich LAG Nürnberg vom 21.07.1988 LAGE § 12 Streitwert Nr. 74; Gift/Baur, Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, Buchstabe D Rn. 223); dies lässt sich aus der nunmehr geltenden Fassung des § 25 Abs. 2 S. 1 GKG eindeutig ersehen: Die Festsetzung des Gerichts hat von Amts wegen auch dann zu erfolgen, wenn eine Entscheidung aus Sicht des Gerichts an sich nicht veranlasst wäre. Dies kann aber nur der Fall sein, wenn Gerichtsgebühren nicht erhoben werden. Anderes gilt nur hinsichtlich der mitverglichenen, nicht rechtshängigen Streitgegenstände, für die ein Gebührenwert nicht entstanden war und die deswegen grundsätzlich nach § 10 BRAGO festzusetzen sind.

b. Vorliegend haben die Klägerinvertreter Festsetzung ohne nähere Bezeichnung beantragt. Ein solcher Antrag kann sowohl als Antrag nach §§ 8, 10 BRAGO als auch als Antrag nach § 9 BRAGO i.V.m. §§ 24, 25 GKG ausgelegt werden. Die Möglichkeit zur Festsetzung nach § 10 BRAGO ist aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut als subsidiär anzusehen (vgl. etwa Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 10 Rn. 1 am Ende; Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl. 2000, § 9 Rn. 3 ff. und § 10 Rn. 3). Das Beschwerdegericht hatte den Antrag daher als solchen nach § 9 BRAGO i.V.m. §§ 24, 25 GKG auszulegen; ansonsten wäre nach § 10 Abs. 2 S. 3 BRAGO die Anhörung der Beteiligten veranlasst gewesen; außerde...

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