Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung beim Betrieb einer Mobilfunkantenne. Reichweite der Mitbestimmung des Betriebsrats zum Gesundheitsschutz. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Betriebsrats bei baulichen Änderungen ohne Einhaltung der Mitwirkungsrechte. Sonstiges
Leitsatz (amtlich)
1. Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG setzt immer dann ein, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen zum Gesundheitsschutz durchführt. Sie stellt kein Abwehrrecht gegen Baumaßnahmen des Arbeitgebers dar, die unter Umständen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Arbeitnehmer führen könnten.
2. Bei Verstößen des Arbeitgebers gegen Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats nach § 90 BetrVG besteht kein „allgemeiner Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch” gegen die Baumaßnahme selbst.
3. Lässt der Eigentümer des Gebäudes, in dem sich der Betrieb befindet, auf dem zu betrieblichen Zwecken nicht genutzten Dach des Gebäudes eine Mobilfunkantenne aufstellen, löst dies Mitwirkungsrechte des Betriebsrats wegen baulicher Maßnahmen an „betrieblichen Räumen” im Sinne des § 90 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht aus.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7, §§ 90-91; ArbSchG § 3
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Beschluss vom 13.08.2001; Aktenzeichen 6 BV 4/01 A) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers und Beteiligten zu 1.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 13.08.2001 – Az. 6 BV 4/01 A – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Pflicht des Arbeitgebers, die Betreibung einer auf dem Betriebsgebäude befindlichen Mobilfunkantenne zu unterlassen, solange die Betriebsratszustimmung hierzu nicht vorliegt oder ersetzt ist.
Antragsteller – Beteiligter zu 1.) – ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2.) gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin – Beteiligte zu 2.) – betreibt eine Bank in … mit mehreren Filialgeschäften in der Umgebung, unter anderem in R.. Dieses Filialgeschäft ist in einem Gebäude untergebracht, das der Antragsgegnerin als Eigentümerin gehört.
Am 21.12.1999 bzw. 25.01.2000 schloss die Antragsgegnerin als Gebäudeeigentümerin mit der Firma D. einen Nutzungsvertrag, mit dem sie dieser gestattete, auf dem Grundbesitz eine Funkfeststation zur Verteilung und Ausstrahlung sowie zum Empfang von Funksignalen aufzustellen, zu betreiben und zu unterhalten. Diese sollte als Dachantenne auf dem Dach des Gebäudes eingerichtet werden. Der Nutzungsvertrag war erstmals zum 30.11.2013 ordentlich kündbar. Die Antenne wurde errichtet und im September 2000 in Betrieb genommen.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Errichtung der Antenne verletze seine Mitbestimmungsrechte. Mitarbeiter und Anwohner hätten wegen der von der Einrichtung ausgehenden Strahlenbelastungen gegen die Errichtung der Antenne protestiert. Anwohner hätten aus Protest hiergegen bereits Geschäftsverbindungen zur Antragsgegnerin gekündigt, so dass auch eine Gefährdung von Arbeitsplätzen vorliege. Gegeben sei das Zustimmungserfordernis nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Nach § 3 ArbSchG habe der Arbeitgeber die Verpflichtung, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussten. Nach § 4 ArbSchG sei die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und gering gehalten werde. Bei der Ausgestaltung der entsprechenden Regelungen habe er als Betriebsrat mitzubestimmen. Der Betrieb der Mobilfunkantennen bewirke das Auftreten elektromagnetischer Felder, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer haben könnten. Bereits die Gefährdung der Gesundheit löse das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus, da bereits dann Handlungsbedarf gegeben sei, durch entsprechende Maßnahmen Sicherheitsvorrichtungen zu ergänzen. Es sei aber inzwischen anerkannt, dass der Betrieb solcher Antennen Beschwerden hervorrufen könne. Ein kollektiver Tatbestand sei gegeben, weil alle anwesenden Mitarbeiter betroffen seien und es sich – die Anlage sende ständig – um einen Dauerzustand handele. Zwar seien die Wirkungen einer solchen Anlage auf die Gesundheit der Bestrahlten wissenschaftlich umstritten. Zunehmend werde jedoch ein Zusammenhang zwischen Beschwerden und Bestrahlungen durch elektromagnetische Felder bejaht. Zwar existierten gesetzliche Grenzwerte für die Bestrahlungen. Diese seien jedoch im europäischen Vergleich zu niedrig angesetzt.
Der antragstellende Beteiligte zu 1.) hat daher im Verfahren vor dem Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:
- Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Betreibung der sich auf dem Gebäude der Geschäftsstelle in R. befindlichen Mobilfunkantenne zu unterbinden.
- Der Antragsgegnerin wird untersagt, eine Mobilfunkantenne auf dem Betriebsgelände zu betreiben bzw. ihre Betreibung zu dulden, solange nicht der Antragsteller der Maßnahm...