Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung bei Vergleich über eine den Entlassungstermin überschreitende vorläufige Weiterbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Über einen im Bestandsstreit hilfsweise gestellten Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung treffen die Parteien nur dann eine bei der Streitwertfestsetzung nach § 45 Abs. 4 iVm Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigende Regelung, wenn ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses verabredet wurde und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist.
Normenkette
GKG §§ 42, 45
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 18.03.2020; Aktenzeichen 10 Ca 767/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.03.2020, Az. 10 Ca 767/20, abgeändert.
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 5.988,06 € und für den Vergleich auf 7474,46 € festgesetzt.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Parteien stritten im Wege der Kündigungsschutzklage um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen, Kündigung vom 27.01.2020, um Weiterbeschäftigung und um Zustimmung zur Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 34 Stunden.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 16.01.2017 als Produktionshelferin beschäftigt. Das monatliche Bruttoeinkommen betrug 1.486,40 €. Arbeitsvertraglich war eine Arbeitszeit von monatlich 140 Stunden in Monaten mit 20 Arbeitstagen, 147 Stunden in Monaten mit 21 Arbeitstagen, 154 Stunden in Monaten mit 22 Arbeitstagen und 161 Stunden in Monaten mit 23 Arbeitstagen vereinbart. Die Klägerin begehrte die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 34 Stunden.
Das Verfahren endete durch Abschluss eines Vergleichs mit Ablauf der Widerrufsfrist am 02.04.2020. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der ordentlichen Kündigung zum 29.02.2020 und die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit bestimmten Beurteilungen.
Mit Beschluss vom 18.03.2020 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 5.945,60 € (= vier Monatsgehälter) und für den Vergleich auf 7.432,- € (= fünf Monatsgehälter) fest. Den Kündigungsschutzantrag bewertete das Arbeitsgericht dabei mit drei Monatsgehältern, den Teilzeitantrag mit einem Monatsgehalt und die Einigung über das Zeugnis im Vergleich ebenfalls mit einem Monatsgehalt. Den Weiterbeschäftigungsantrag bewertete das Arbeitsgericht nicht.
Mit Schriftsatz vom 06.04.2020 legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hiergegen Beschwerde ein. Der Teilzeitanspruch sei mit drei Monatsgehältern zu bewerten, der Weiterbeschäftigungsanspruch mit einem Monatsgehalt.
Mit Beschluss vom 26.05.2020 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den ausführlich begründeten Beschluss Bezug genommen (Blatt 52 der Akten).
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis letztendlich zum 03.08.2020. Die Klägervertreten hielten mit Schriftsatz vom 03.08.2020 an ihrer Auffassung fest (Blatt 64 - 66 der Akten). Die übrigen Beteiligten gaben keine inhaltliche Stellungnahme ab.
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
II. Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Im vorliegenden Fall haben die Parteien auch eine Einigung über den Weiterbeschäftigungsantrag getroffen, so dass er mit einem Monatsgehalt zu bewerten war. Der Teilzeitantrag ist mit dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags (= 1.528,86 €) zu bewerten, da dieser Wert zwischen einem und drei Monatsgehältern liegt. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Gegenstandswerte für das Verfahren und den Vergleich zutreffend festgesetzt.
Bei der Wertfestsetzung folgt die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientier...