Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats beim Arbeits- und Gesundheitsschutz nach Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung und zu weiteren Maßnahmen des Gesundheitsschutzes. Unzuständigkeit der Einigungsstelle für die Herbeiführung einer allgemeinen Betriebsvereinbarung zur Regelungsthematik "Mindestanforderungen an Arbeitsstätten" bei fehlender unmittelbarer objektiver Gesundheitsgefahr
Leitsatz (amtlich)
Für die im Rahmen der §§ 87 Abs. 1 Ziff. 7, 91 BetrVG vom Betriebsrat erstrebte Regelung betrieblicher Mindeststandards in Ergänzung bestehender öffentlich-rechtlicher Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes, der Arbeitsstättenverordnung, ihrer Anlage, den hierzu ergangenen Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) und der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung bedarf es - nach Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung und darauf basierender weiterer Maßnahmen des Gesundheitsschutzes - der Durchführung des dort geregelten Verfahrens und Bejahung einer konkreten Gefährdungssituation.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 87-88, 91; ArbSchG §§ 3-4; ArbStättV §§ 3 ff.; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbStättV §§ 3a, 6 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 27.02.2014; Aktenzeichen 10 BV 28/13) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 27.02.2014, Az.: 10 BV 28/13, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Antragsteller zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle zur Regelungsthematik "Mindestanforderungen an Arbeitsstätten".
Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen, das überwiegend informationstechnische Dienstleistungen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte erbringt und am Standort A-Stadt mehr als 6.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerbeschäftigt.
Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Betriebsrat.
Die Beteiligten haben im Frühjahr 2012 beschlossen zu den Regelungsbereichen "Mindestanforderungen an Arbeitsstätten" und "Gefährdungsbeurteilung und Sicherheitsunterweisung" eine Einigungsstelle zu errichten. Diese tagte erstmalig am 24.04.2012 mit dem Ergebnis, dass beide genannte Themen jeweils getrennt diskutiert und ggf. getrennte Betriebsvereinbarungen geschlossen werden sollten.
Hinsichtlich der Thematik "Gefährdungsbeurteilung und Sicherheitsunterweisung" endete das Einigungsstellenverfahren mit Abschluss der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 27.03.2013 (Kopie Bl. 154 - 157 d.A.).
Zur hier verfahrensgegenständlichen Thematik fanden am 20.08.2012, 09.10.2012, 31.10.2012, 28.11.2012, 14.12.2012, 15.01.2013 und 05.03.2013 weitere Sitzungen der Einigungsstelle statt. Im Rahmen dieser Verhandlungen legten beide Beteiligte mehrfach geänderte Entwürfe vor. Zuletzt standen sich der Entwurf 4.0 des Betriebsrates und der Entwurf 6.0 der Antragsgegnerin gegenüber, bezüglich deren Inhalte auf die Synopse (Bl. 39 - 48 d.A.) verwiesen wird.
Bereits in der Sitzung vom 28.11.2012 wies der Vorsitzende der Einigungsstelle darauf hin, dass dem Antragsteller im Hinblick auf die Regelungsthematik "Mindestanforderungen an Arbeitsstätten" und den dazu begehrten Regelungstatbeständen kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zustünde.
In der Einigungsstellensitzung vom 05.03.2013 erging unter Beteiligung des Einigungsstellenvorsitzenden mit 6 zu 5 Stimmen folgender Spruch:
"Die Einigungsstelle ist unzuständig zur Herbeiführung einer allgemeinen Betriebsvereinbarung zur Regelungsthematik "Mindestanforderungen an Arbeitsstätten" gemäß den von Betriebsrats- und Arbeitgeberseite vorgelegten Entwürfen vom 07.01.2013."
Der Antragsteller wendet sich mit seinem am 18.03.2013 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichten Antrag gegen diesen Spruch und begehrt die Feststellung, dass ihm zu der genannten Regelungsthematik Mitbestimmungsrechte zustehen.
Der Antragsteller meint, ihm stünden zur Regelungsthematik "Mindestanforderungen an Arbeitsstätten" Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 91 BetrVG zu, weshalb die Regelungszuständigkeit der Einigungsstelle gegeben sei und der Spruch vom 05.03.2013 rechtlich keinen Bestand haben könne. Bei den gesetzlichen Rahmenvorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (§§ 3, 4 ArbSchG) und der Arbeitsstättenverordnung (§§ 3a, 6 Abs. 1 ArbStättV) handele es sich um ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschriften, die Schutzvorschriften i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG darstellen würden. Die Rahmenvorschriften seien konkret auszufüllen, da insoweit ein Handlungsspielraum des Arbeitgebers bestehe. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber sämtliche existierenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen einhalte, und umso mehr wenn solche nicht bestünden. Deshalb könne auch dahinstehen, ob die Beteiligte zu 2) sämtliche Vorschriften einhalte, da das Mitbestimmungsrecht unabhängig hiervon bestehe. Selbst wenn der Arbeitgeber exakt das an Gesundheitsschutzmaßnahmen durchführe, was der Betrieb...