Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Streitwertfestsetzung bei Kündigungen. Streitwertfestsetzung für einen Weiterbeschäftigungsantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
2. Nach dem Streitwertkatalog wird die erste Kündigung im Kündigungsschutzprozess mit der Vergütung für drei Monate bewertet. Ist eine weitere bzw. sind mehrere Kündigung(en) im Streit, ist wegen wirtschaftlicher Identität für diese Kündigung(en) nur die zwischen den Beendigungszeitpunkten liegende Entgeltdifferenz als Streitwert maßgebend.
3. Im Regelfall ist ein Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung als Hilfsantrag anzusehen und damit nicht streitwerterhöhend. Haben die Parteien aber bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrags im Vergleich eine Vereinbarung getroffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vergleichbar ist, ist der Antrag mit einem Streitwert von einem Monatsgehalt zu bewerten.
Normenkette
GKG §§ 42, 63, 68; RVG § 2 Abs. 2; RVG-VV Nr. 1000; GKG § 45; BGB § 140; Streitwertkatalog Abschn. I Nrn. 18, 20, 21.3, Nr. 25.1.3, Nr. 29.2; Streitwertkatalog Abschn. I Nr. 29.3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 17.03.2022; Aktenzeichen 12 Ca 6396/20) |
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 24.02.2022; Aktenzeichen 12 Ca 6396/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägervertreters und von Amts wegen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 24.02.2022 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 17.03.2022, Az.: 12 Ca 6396/20, abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Verfahren auf 89.218,52 € und der überschießende Vergleichswert auf 10.484,65 € festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen
Gründe
A.
Die Parteien stritten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer ordentlichen Kündigung vom 10.09.2020 zum 28.02.2020, einer außerordentlichen Kündigung vom 25.11.2020, hilfsweise ordentlich erklärt zum 30.04.2021, und einer weiteren außerordentlichen Kündigung vom 17.12.2020, hilfsweise ordentlich erklärt zum 31.05.2021, um Weiterbeschäftigung, um Zahlungsansprüche aus der Zeit des unstreitigen Bestehens des Arbeitsverhältnisses und um Zahlungsansprüche wegen einer Direktversicherung.
Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers betrug 10.484,65 €.
Das Verfahren endete durch gerichtlich protokollierten Vergleich vom 23.02.2022. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2022, eine Freistellung bis dahin, die Zahlung einer Abfindung, die Erteilung eines sehr guten Zwischen- und Endzeugnisses. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vergleichs Bezug genommen (Blatt 566 f d.A.).
Ausgehend vom ursprünglich genannten monatlichen Bruttoeinkommen von 10.000,- € setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24.02.2022 den Wert des Streitgegenstands auf 67.133,90,- und den überschießenden Vergleichswert auf 20.000,- € fest.
Hiergegen legte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 09.03.2022 Beschwerde ein. Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers habe 10.484,65 € betragen. Für jede Kündigung seien jeweils drei Bruttomonatsgehälter anzusetzen, für den Weiterbeschäftigungsantrag ein Monatsgehalt. Insgesamt ergebe sich unter Berücksichtigung der Zahlungsansprüche ein Streitwert von 118.925,53 €. Für die im Vergleich vereinbarte Freistellung für 19 Monate seien 4,75 Bruttomonatsgehälter (19 × 0,25), für die Vereinbarung, die Vorwürfe nicht aufrecht zu erhalten, ein Monatsgehalt und für das Zwischen- und das Endzeugnis jeweils ein weiteres Monatsgehalt festzusetzen. Der überschießende Vergleichswert betrage somit 81.256,04 €.
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 17.03.2022 teilweise ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg vor. Das Arbeitsgericht setzte dabei den Streitwert für das Verfahren auf 76.986,43 € und den überschießenden Vergleichswert auf 20.969,30 € fest. Dabei legte es für den Bestandsstreit sechs Monatsgehälter sowie die Zahlungsansprüche zu Grunde. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei nicht zur Entscheidung angefallen und daher nicht zu bewerten. Den überschießenden Vergleichswert bewertete das Arbeitsgericht mit zwei Monatsgehältern, eines für die Freistellungsvereinbarung, eines für die Einigung bezüglich der Zeugnisse. Wegen der Einzelheiten wird auf den Teilabhilfebeschluss vom 17.03.2022 Bezug genommen.
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme insgesamt bis zum 10.05.2022. Die Beklagte gab inhaltlich keine Stellungnahme ab. Der Klägervertreter zeigte sich mit der Festsetzung des Wertes für den Bestandsstreit in Höhe von sechs Monatsgeh...