Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit von Gewerkschaften für den Abschluss eines Tarifvertrags i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Zuständigkeit der Gewerkschaften. Tarifvertrag gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Sonstiges
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren um die Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen der Unwirksamkeit eines nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrags ist die Gewerkschaft im Beschlussverfahren gem. § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat.
2. Reklamieren mehrere tarifzuständige Gewerkschaften den Abschluss eines Tarifvertrags gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, so kann der Tarifvertrag nur unter Einbeziehung aller die Zuständigkeit beanspruchenden Gewerkschaften einheitlich abgeschlossen werden.
3. Wird eine tarifzuständige Gewerkschaft an dem Tarifabschluss i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entgegen Ziffer 2. des Leitsatzes nicht beteiligt, so ist die unter Zugrundelegung der getroffenen – unwirksamen – Tarifregelung durchgeführte Betriebsratswahl anfechtbar aber nicht nichtig.
Normenkette
BetrVG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1; ArbGG § 83 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Bayreuth (Beschluss vom 10.01.2007; Aktenzeichen 3 BV 4/06 H) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 2. bis 4. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth, Kammer Hof, vom 10.01.2007, Aktenzeichen: 3 BV 4/06 H, werden zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren über die Wirksamkeit einer am 20.04.2006 im Unternehmen der Beteiligten zu 3 durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Beteiligten zu 1 und 4 sind im Unternehmen der Beteiligten zu 3 vertretene Gewerkschaften. Die Beteiligte zu 3 betreibt eine Vielzahl von Filialen im Lebensmitteleinzelhandel unter verschiedenen Vertriebsschienen (D…, E…, F…, G…). Der Beteiligte zu 2 ist der im Jahr 2006 im Unternehmen der Beteiligten zu 3 gewählte Betriebsrat.
Für die Betriebsratswahl 2002 hatten die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 3 am 18.03.2002 einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG abgeschlossen, der die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats vorsah (Bl. 20, 21 d.A.). Die Geltungsdauer des Tarifvertrages war auf eine Amtsperiode gemäß § 13 BetrVG beschränkt, eine Nachwirkung war ausgeschlossen. Auf der Grundlage dieses Tarifvertrags wurde im Jahr 2002 die Betriebsratswahl im Unternehmen der Beteiligten zu 3 durchgeführt.
Für die Betriebsratswahl 2006 forderte die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 12.12.2005 (Bl. 25 d.A.) die Beteiligte zu 3 auf, in Verhandlungen über einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG einzutreten. Die Beteiligte zu 3 stand zu diesem Zeitpunkt bereits mit der C… (…) in Verhandlungen über einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG. Am 02.01.2006 wurde zwischen der Beteiligten zu 3 und der C… ein entsprechender Tarifvertrag nach § 3 BetrVG abgeschlossen. Bis auf die Geltungsdauer entsprach dieser inhaltlich dem Tarifvertrag zwischen der Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 3 aus dem Jahr 2002. Mit Schreiben vom 02.02.2006 teilte die Beteiligte zu 3 der Beteiligten zu 1 den Abschluss dieses Tarifvertrags mit.
Das Wahlausschreiben für die Betriebsratswahl wurde auf der Grundlage dieses Tarifvertrags am 02.03.2006 vom Wahlvorstand erlassen. Am 20.04.2006 fand die Betriebsratswahl statt. Im Zeitpunkt der Wahl waren mehr als 1600 Arbeitnehmer im Unternehmen der Beteiligten zu 3 beschäftigt. Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde am 24.04.2006 bekannt gemacht.
Mit ihrem am 08.05.2006 eingegangenen Antrag hat die Beteiligte zu 1 die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl begehrt.
Die Beteiligte zu 1 ist der Ansicht, die Wahl des Betriebsrats sei aus mehreren Gründen unwirksam. Die Durchführung der Betriebsratswahl beruhe auf einem Tarifvertrag gemäß § 3 Abs. 1 BetrVG, der nichtig bzw. unwirksam sei. Daher sei auch die Betriebsratswahl nichtig bzw. anfechtbar. Die Wahl habe nicht auf der Grundlage des Tarifvertrages zwischen der Beteiligten zu 3 und der C… wirksam durchgeführt werden können, da auch die Beteiligte zu 1 ihre Zuständigkeit für einen entsprechenden Tarifvertrag reklamiert habe und daher der Tarifvertrag nur einheitlich mit beiden Gewerkschaften hätte abgeschlossen werden können.
Die Beteiligten zu 2 und 3 vertreten die Auffassung, das Gesetz lasse nicht erkennen, dass die Beteiligte zu 3 nur einheitlich mit beiden die Zuständigkeit beanspruchenden Gewerkschaften einen Tarifvertrag im Sinne des § 3 BetrVG hätte schließen können. Es sei anhand des Gesetzes nicht zu erkennen, weshalb der Tarifvertrag zwischen der C… und der Beteiligten zu 3 unwirksam sein solle.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl vom 20.04.2006 unter Abweisung des Antrags im Übrigen für unwirksam erklärt. Die Betriebsratswahl sei zwar nicht nichtig, aber anfechtbar. Die Wahl des Betriebsrats sei fehlerhaft unte...