Entscheidungsstichwort (Thema)
Enge Voraussetzungen für die Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 158 Abs. 1 GVG darf das von einem anderen Gericht um Rechtshilfe ersuchte Gericht dieses Rechtshilfeersuchen nicht ablehnen. Davon macht § 158 Abs. 2 Satz 1 GVG nur dann eine Ausnahme, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist oder wenn es sich um ein Rechtshilfeersuchen eines im Rechtszug vorgesetzten Gerichts handelt. Diese Ausnahmevorschrift ist eng auszulegen.
Normenkette
GVG §§ 159, 158
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 26.01.2021; Aktenzeichen 2 AR 111/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 08.02.2021 wird dem Arbeitsgericht Nürnberg unter Aufhebung des ablehnenden Beschlusses vom 26.01.2021 - 2 AR 111/20 - aufgegeben, im Wege der Rechtshilfe die im Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26.11.2020 - 5 Ca 72/20 SK - benannten Zeugen zu den im Beweisbeschluss bezeichneten Tatsachen zu vernehmen.
Gründe
I.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden wendet sich mit seiner Beschwerde vom 08.02.2021 dagegen, dass es das Arbeitsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 26.01.2021 - 2 AR 111/20 - abgelehnt hat, im Wege der Rechtshilfe die im Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26.11.2020 benannten Zeugen zu den im Beweisbeschluss bezeichneten Tatsachen zu vernehmen.
Im Ausgangsverfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden zum Aktenzeichen 5 Ca 72/20 SK fordert der dort klagende Verein von der Beklagten 16.397,68 € an Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2015 bis November 2016. Am Schluss der mündlichen Kammersitzung vom 26.11.2020 hat das Arbeitsgericht Wiesbaden einen Beweisbeschluss verkündet, dessen Ziffer I wie folgt lautet:
I.
Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung, jeder der nachgenannten Zeugen habe während seiner Tätigkeit für die Beklagte in den Kalenderjahren 2015/2016 in jedem der vorbezeichneten Kalenderjahren zu mehr als der Hälfte seiner persönlichen Arbeitszeit folgende Arbeiten ausgeführt:
- Fliesenverlegearbeiten, Fliesenreparaturarbeiten, Putzarbeiten, Maurerarbeiten und Silikonverfugungen im Rahmen von Bad-, Küchen- und Wohnungssanierungen und Renovieren.
- Trocken- und Montagebauarbeiten, wie das Anbringen von Wand- und Deckenverkleidungen einschließlich des Anbringens von Dämmungen, das Erstellen von Trockenbauwänden, die Montage von vorgefertigten Fenstern und Türen
- Hochbauarbeiten
- Tiefbauarbeiten, wie der Aushub von Baugruben, Gräben und Schächten, sowie Wiederverfüllen der Gräben und Schächte
- Verputzarbeiten, wie das Aufbringen von Ober- und Unterputz einschließlich Dämmungen
- Erdbewegungs- und Baggerarbeiten im Rahmen der Erstellung von Außenanlagen zur Vorbereitung von Pflasterarbeiten und des Wege- und Parkplatzbaus
- Wege- und Parkplatzbauarbeiten, wie das Anlegen von Wegen und Parkplätzen einschließlich der Abtragung des Erdreichs und dem Anliefern und Einbringen von Schotter, Verdichten, die Aufbringung von Split, Herstellung des Planums, Verlegen von Drainagen und anschließende Herstellung der festen Oberfläche z.B. aus Pflastersteinen, Platten oder Asphalt
Der Beschluss enthält in Ziffer II ferner die namentliche Benennung von fünf Zeugen unter Angabe der konkreten Zeiten der Beschäftigung (mit Ausnahme des offensichtlichen Schreibversehens bei Nr. 5 "beschäftigt vom 01.0.2015 bis 31.12.2016").
Ziffer III. lautet: "Um die Vernehmung der Zeugen werden die für die Ladungsschriften [sic!] der Zeugen zuständigen Arbeitsgerichte im Wege der Rechtshilfe ersucht."
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 26.01.2021 das Rechtshilfeersuchen abgelehnt. Die Rechtshilfehandlung sei verboten, wenn sie gegen Bundes- oder Landesrecht verstoße. Aus dem Beweisbeschluss ergäben sich keine hinreichenden streitigen Tatsachenbehauptungen, deren Richtigkeit der Rechtshilferichter feststellen könne. Es fehle an konkreten tatsächlichen Angaben, welcher konkrete Arbeitnehmer an welchem Ort welche Arbeiten in welchem zeitlichen Umfang verrichtet haben solle. Der Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26.11.2020 sei nichts anderes als die Übertragung der Aufgaben eines Ermittlungsrichters auf den Rechtshilferichter. Da jedoch kein Amtsermittlungsgrundsatz gelte, könne dies nicht Aufgabe eines Rechtshilfeverfahrens sein. Es handele sich auch um einen klassischen Ausforschungsbeweis. Die Durchführung einer an sich unzulässigen Beweiserhebung führe in der Regel zu einem irreversiblen und gesetzlich nicht vorgesehenen Rechtsnachteil für die nicht darlegungs- und beweisbelastete Partei.
Des Weiteren lasse der Beweisbeschluss nicht ansatzweise erkennen, welche streitigen Tatsachen überhaupt Gegenstand der Beweisaufnahme sein sollten. Der Beweisbeschluss müsse nämlich die bestimmten Tatsachen enthalten, die der Rechtshilferichter feststellen solle, und dürfe nicht so abgefasst sein, dass sich der ersuchte Richter die Beweisfrage erst aus den Akten zusammensuchen...