Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche Angaben. Formularverträge. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats
Leitsatz (amtlich)
1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 94 Abs. 2 (1. Alt.) BetrVG bezieht sich nicht auf die Verwendung von Arbeitsvertragsformularen als solches, sondern nur auf persönliche Angaben in solchen Formularen.
2. Der Betriebsrat kann also allenfalls die Unterlassung der Abfrage oder Aufnahme solcher persönlicher Angaben in Arbeitsvertragsformularen verlangen, nicht aber die Unterlassung der Verwendung der Formulare als Ganzes. Beansprucht er die Unterlassung als Ganzes, handelt es sich um einen unbegründeten zu weit gehenden Globalantrag.
3. Schließt der Arbeitgeber die Arbeitsverträge von der Zentrale aus, von der aus er auch die gesamte Personalpolitik steuert, ist für die Angaben in betriebsübergreifend verwendete Formulararbeitsverträge der Gesamtbetriebsrat zuständig.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 1, § 94 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Beschluss vom 05.08.2010; Aktenzeichen 4 BVGa 7/10) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 05.08.2010, Az. 4 BVGa 7/10, abgeändert.
II. Der Antrag wird abgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung über die Verpflichtung des Arbeitgebers, ein bestimmtes Arbeitsvertragsformular nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zu verwenden.
Der Beteiligte zu 2.), der ein Einzelhandelsunternehmen mit vielen Filialen betreibt, verwendet für den Abschluss von Arbeitsverträgen mit befristet eingestellten Arbeitnehmern neuerdings ein mit „V 42/2 05/10” bezeichnetes Formular. In diesem Formular finden sich unter anderem die Felder „geb. am … in”, „Fam.-Stand: verh. – led. – nicht verh.”, „Konfession AN: …” und „Staatsangehörigkeit: …”. Unter Ziff. 5 heißt es: „Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Jahresdurchschnitt mindestens 10 Stunden. Die Arbeitszeiteinteilung erfolgt entsprechend den betrieblichen Erfordernissen.” Ziff. 6 lautet: „Die Tarifverträge für Arbeitnehmer/-innen im Einzelhandel des Bundeslandes, in dem der Beschäftigungsort des/der Arbeitnehmer/in liegt, finden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung.” Des genauen Wortlautes des Formulars wegen wird auf die als Anlage zur Antragsschrift vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Anlage A 1, Bl. 17 d.A.).
Der Arbeitgeber hat den örtlichen, gemäß Tarifvertrag für den Bezirk S. gebildeten Betriebsrat bei der Einführung des Formulars nicht beteiligt. Dieser hat den Arbeitgeber, den Beteiligten zu 2.), mit Schreiben vom 29.06.2010 aufgefordert, die Verwendung des Formulars zu unterlassen, solange seine Zustimmung hierzu nicht erfolgt sei. Die Bezirksleiterin hat dem Betriebsrat am 20.07.2010 telefonisch mitgeteilt, dass die Verwendung ab August 2010 erfolge.
Mit seinem am 21.07.2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag hat der Betriebsrat, Beteiligter zu 1.), die Unterlassung der Verwendung des Formulars begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, nach § 94 Abs. 2 BetrVG bedürften persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen, die allgemein im Betrieb verwendet werden sollten, der Zustimmung des Betriebsrats. Die Frage nach Familienstand, Konfession und Staatsangehörigkeit stellten einen Verstoß gegen die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar, zudem handele es sich um persönliche Angaben im Sinne des § 94 Abs. 2 BetrVG. Auch werde durch die Verwendung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterlaufen. Letztendlich diene der Arbeitsvertrag dazu, die Arbeitszeit des eingestellten Arbeitnehmers innerhalb eines Korridors von einer Mindestarbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich und einem Vollzeitarbeitsverhältnis nach Belieben „herauf und herunter zu fahren”. Damit werde Sinn und Zweck des § 99 Abs. 1 BetrVG torpediert, da der Betriebsrat keine Klarheit habe, wie der Arbeitnehmer künftig eingesetzt werde. Da der Beteiligte zu 2.) das Formular spätestens ab 01.08.2010 verwenden wolle, sei Dringlichkeit für die Untersagung geboten. Es sei anerkannt, dass dem Betriebsrat bei einem Verstoß gegen § 94 Abs. 2 BetrVG aus den zu § 87 BetrVG entwickelten Gründen ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zustehe. Der Betriebsrat habe die Beauftragung des Prozessvertreters zur Durchführung des Gerichtsverfahrens mit Beschluss vom 20.07.2010 beschlossen.
Der Antragsteller hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt:
Dem Antragsgegner wird untersagt, das Arbeitsvertragsformular V 42/2 05/10 (Arbeitsvertrag befristet auf Stundenlohnbasis) im Bezirk S. zum Abschluss von Arbeitsverträgen ohne Zustimmung des Antragstellers bzw. ohne, dass diese Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde, zu verwenden. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung kann nach vorheriger Androhung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,– Euro festgesetzt werden.
Die Beteiligte zu 2.) hat beantragt:
Der Antrag wird abgewiesen.
Der Beteiligte zu 2.) hat sich im erstinstanzlichen Verfahren jedenfalls ni...