Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten
Leitsatz (redaktionell)
Der Beschluss zur Beauftragung eines Rechtsanwalts hat die nachträgliche Zustimmung des Betriebsrats zu einem von dem Betriebsratsvorsitzenden, seinem Stellvertreter oder einem sonst im Namen des Betriebsrats handelnden Mitglied abgeschlossenen Vertrag zum Gegenstand. Der Mandatsvertrag begründet gegenseitige Rechte und Pflichten. Deshalb richten sich die Wirkungen der erneuten Beschlussfassung regelmäßig nach § 184 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift wirkt die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Der Mandatsvertrag wird daher grundsätzlich rückwirkend vollwirksam.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 01.12.2022; Aktenzeichen 8 BV 14/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 01.12.2022, Az. 8 BV 14/22, aufgehoben.
2. Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, den Antragsteller von den Rechtsanwaltsgebühren der A... Rechtsanwälte, P...straße xx, ... N... in Höhe von € 1.003,40 gemäß Kostenrechnung ... vom 15.07.2021 freizustellen.
3. Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, den Antragsteller von den Rechtsanwaltsgebühren der A... Rechtsanwälte, P...straße xx, ... N... in Höhe von € 526,58 gemäß Kostenrechnung ... vom 15.07.2021 freizustellen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.
Der Beteiligte zu 1.) ist der für die Standorte der Beteiligten zu 2.) in Z..., D..., O..., H... und S... ordnungsgemäß konstituierte Betriebsrat mit 21 Mitgliedern sowohl bei der Wahl im Jahre 2018 als auch der Wahl 2022.
Die Beteiligte zu 2.) ist ein in der Spielzeugherstellung tätiges Unternehmen. Weltweit werden bei der Beteiligten zu 2.) rund 4.600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Im Betrieb in Z... waren im April 2021 986 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, in D... 1.095, in H... 239 und in S... 28.
Am 01.10.2020 wurde Frau G. als HR-Leitung eingestellt. Eine Anhörung des Beteiligten zu 1.) zur Einstellung erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 15.10.2020 wurde dem Beteiligten zu 1.) mitgeteilt, dass Frau G. leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG sei (Blatt 10 der Akten). Mit Schreiben vom 16.10.2020 forderte der Beteiligte zu 1.) unter Fristsetzung bis zum 20.10.2020 weitere Informationen (Blatt 11 der Akten). Er ging davon aus, dass es sich bei Frau G. nicht um eine leitende Angestellte handelte und er zur Einstellung angehört werden hätte müssen. Eine Antwort erhielt er nicht.
Der Beteiligte zu 1.) hat am 23.11.2020 beschlossen, der Beteiligten zu 2.) aufgeben zu lassen, die personelle Maßnahme (Einstellung Frau G.) aufzuheben und soweit notwendig, das Verfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG einzuleiten. Mit Beschluss vom selben Tag hat er auch seine Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung des Verfahrens beauftragt (Blatt 12 der Akten). Die Wirksamkeit der Beschlüsse ist streitig.
Mit Schreiben vom 26.11.2020 forderten die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1.) die Beteiligte zu 2.) unter Fristsetzung bis zum 02.12.2020 auf, die personelle Maßnahme aufzuheben (Blatt 14 der Akten). Mit Schreiben vom 02.12.2020 teilten die Bevollmächtigten der Beteiligten zu 2.) mit, dass sich nach deren Kenntnis Frau F... aus der Rechtsabteilung mit der damaligen Betriebsratsvorsitzenden im Austausch befinde (Blatt 15 der Akten). Eine Aufhebung der personellen Maßnahme erfolgte innerhalb der gesetzten Frist nicht.
Daraufhin wurde ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren eingeleitet, das beim Arbeitsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 14 BV 117/20 anhängig war.
Das Arbeitsverhältnis mit Frau G. wurde von der Beteiligten zu 2.) noch während der Probezeit gekündigt. Das Beschlussverfahren wurde für erledigt erklärt, ein Güte- oder Kammertermin hatte nicht stattgefunden. Mit Beschluss vom 22.03.2021 wurde das Verfahren eingestellt. Der Gegenstandswert wurde mit Beschluss vom 28.04.2021 auf 15.000,- € festgesetzt (Blatt 16 der Akten). In diesem Verfahren wurde die Ordnungsgemäßheit der zu Grunde liegenden Beschlussfassungen des Betriebsrats von keinem der Beteiligten thematisiert.
Unter dem 15.07.2021 rechneten die Verfahrensbevollmächtigten gegenüber dem Beteiligten zu 1.) auf der Basis des Gegenstandswerts von 15.000,- € für ihre außergerichtliche Tätigkeit Gebühren in Höhe von 1.003,40 € und für das Beschlussverfahren Gebühren in Höhe von 526,58 € ab (Blatt 19 ff der Akten). Die Beteiligte zu 2.) beglich die Rechnungen auch nach mehreren Mahnungen und Androhung des Kostenfreistellungsverfahrens nicht.
Am 17.01.2022 hat der Beteiligte zu 1.) beschlossen, das vorliegende Kostenfreistellungsverfahren einzuleiten und seine Verfahrensbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen ...