Entscheidungsstichwort (Thema)

sonstiges

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts in einem Beschlussverfahren, das das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG und damit einen nicht vermögensrechtlichen Gegenstand betrifft, ist weder allein auf den Hilfswert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO abzustellen noch ein schematischer Bezug zum Hilfswert des § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO je nach der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer herzustellen. …

2. Zu berücksichtigen ist stets die „Lage des Falles”, nach der die Bedeutung der Angelegenheit für die Betroffenen zu bewerten ist. Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer ist dabei ebenso einer der heranzuziehenden Gesichtspunkte wie das Interesse des Arbeitgebers an einer kollektiven Arbeitszeitregelung, das nicht nur eine wirtschaftliche Dimension (je nach Branche und Betriebsgröße von unterschiedlichem Gewicht) beinhaltet, sondern auch die Organisation und Akzeptanz betrieblicher Abläufe beeinflussen kann, insbesondere bei differenzierten Arbeitszeitregelungen wie im Streitfall.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3; BRAGO § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Beschluss vom 04.10.2000; Aktenzeichen 4 BV 21/99 S)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Schweinfurt, 4 BV 21/99 S, vom 04.10.2000 abgeändert.

2. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in der 1. Instanz wird auf DM 30.000,– festgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Das Arbeitsgericht hat zunächst zutreffend die Vorschrift des § 8 Abs. 2 BRAGO für die Festsetzung des Gegenstandswerts herangezogen (vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 84 Rz. 14).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg kann das Beschwerdegericht das Ermessen des Erstgerichts bei der Streitwertfestsetzung nicht ersetzen, sondern nur prüfen, ob das Arbeitsgericht sein Ermessen überhaupt ausgeübt und dabei die gesetzten Grenzen eingehalten hat (vgl. Beschlüsse des LAG Nürnberg vom 12.01.1998, 5 Ta 214/97; 12.10.1998, 2 Ta 160/98; vom 06.04.2000, 2 Ta 334/99). Vorliegend hat das Arbeitsgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 02.03.2001 auf den Hilfswert des § 8 Abs. 2 BRAGO in Höhe von DM 8.000,– abgestellt, ohne zu prüfen, ob nach Lage des Falles der Gegenstandswert niedriger oder höher festzusetzen ist. Werden von einer Entscheidung im Beschlussverfahren mehrere oder gar eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen, stellt dies einen Umstand dar, der zur „Lage des Falles” zu berücksichtigen ist und zwar als werterhöhend. Eine Orientierung am „wirtschaftlichen Wert” des Beschlussverfahrens scheidet zumindest dann aus, wenn die Entscheidung keine abschließende Klärung nachfolgender vermögensrechtlicher Folgen nach sich zieht (vgl. LAG Bremen vom 17.06.1998, 4 Ta 32/98 = LAGE § 8, 42). Aus den achtseitigen Anträgen über die streitbefangenen täglichen Arbeitszeiten ergibt sich, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen ist, unabhängig davon, ob die Tragweite der Entscheidung exakt 230 Arbeitnehmer betrifft, wie der Beschwerdeführer vorbringt. Der in § 8 Abs. 2 BRAGO bestimmte Hilfswert ist somit „nach Lage des Falles” nicht ausreichend, sondern angemessen anzuheben. Eine mathematische Anhebung des Hilfswerts von DM 8.000,– nach der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer oder nach einem bestimmten Vielfachen des Hilfswerts von DM 8.000,– erscheint wegen des nicht Vermögensrechtlichen Streitgegenstands nicht angemessen. Die Angelegenheit ist nach ihrer Bedeutung deutlich als höher als mit dem Hilfswert von DM 8.000,– anzunehmen. Angemessen erscheint im Streitfall unter Einbeziehung des Antrags auf Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung insgesamt ein Gegenstandswert von DM 30.000,–.

3. Der angefochtene Beschluss war somit abzuändern und im Übrigen die Beschwerde zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss findet eine weitere Beschwerde nicht statt (§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 5 BRAGO).

 

Unterschriften

Der Vorsitzende: Werner Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 962905

AUR 2002, 154

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