Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Streitwerterhöhung durch Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Bewertung einer Einigung über ein Zeugnis und ein Zwischenzeugnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

2. Ein Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist streitwerterhöhend dann gemäß § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden worden ist, wenn der Antrag in einem Vergleich sachlich mitgeregelt wird und dieser eine Regelung über ihn enthält oder wenn der Antrag ausdrücklich als unbedingter Hauptantrag gestellt worden ist.

3. Für eine Einigung bezüglich eines Zeugnisses und eines Zwischenzeugnisses kann ein Monatsgehalt als Wert festgesetzt werden, wenn nach dem Parteivortrag von einem Streit oder einer Ungewissheit über Erteilung und/oder Inhalt des Zeugnisses ausgegangen werden kann.

 

Normenkette

GKG §§ 42, 63, 45 Abs. 1, 4; RVG § 2 Abs. 2 Anl. 1; RVG-VV Nr. 1000

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 07.06.2022; Aktenzeichen 9 Ca 1812/22)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägervertreterin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.06.2022 teilweise abgeändert und der überschießende Vergleichswert auf 7.305,- € festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Die Parteien stritten sich um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 28.04.2022, zugegangen am 03.05.2022, zum 31.07.2020 hilfsweise zum nächstzulässigen Termin sowie um Weiterbeschäftigung. Das Bruttoeinkommen des Klägers betrug zuletzt 4.450,- €.

Das Verfahren endete am 27.05.2022 durch gerichtliche Feststellung eines Vergleichs. Darin einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2022 mit unwiderruflicher Freistellung, eine Abfindung, eine sog. Sprinterklausel, ein Zeugnis und die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung. Wegen der Einzelheiten des Vergleichs wird auf Blatt 37 ff der Akten verwiesen.

Das Arbeitsgericht setzte mit Beschluss vom 07.06.2022 den Streitwert auf 17.800,- € fest und den überschießenden Vergleichswert auf 4.495,- € (ein Monatsgehalt für die Einigung über das Zeugnis und 0,1 Monatsgehälter für die Erteilung der Arbeitsbescheinigung).

Die Klägervertreterin machte mit ihrer Beschwerde vom 14.06.2022 zunächst geltend, dass für einen außergerichtlichen Streit über die Erteilung eines Zwischenzeugnisses ein (weiteres) Monatsgehalt festzusetzen sei.

Mit Beschluss vom 20.06.2022 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, da die Einigung über die Erteilung eines Zeugnisses mit einem Monatsgehalt bewertet worden sei und ein Streit über die Erteilung eines Zwischenzeugnisses nicht noch zusätzlich bewertet werde, und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor.

Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägervertreterin zeigte sich mit Schriftsatz vom 01.07.2022 mit der Festsetzung des Mehrwerts für die Einigung über das Zeugnis nach Erläuterung einverstanden. Dennoch sei der Vergleichswert um 3.300,- € zu erhöhen, da sich die Parteien außergerichtlich auch über die Höhe der dem Kläger als außertariflichem Angestellten zustehende Vergütung gestritten und sich im Vergleich ab März auf ein Entgelt in Höhe von 5.000,- € brutto monatlich geeinigt hätten. Die anderen Beteiligten haben eine Stellungnahme nicht abgegeben.

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.

II. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als für die Einigung über die Gehaltshöhe ein Vergleichsmehrwert von 3.300,- € anzusetzen war. Allerdings hat das Arbeitsgericht für die Einigung über die Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu Unrecht einen Vergleichsmehrwert von 445,- € angesetzt.

Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatal...

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