Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelungsverfügung als Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes. Unzulässigkeit einer Feststellungsverfügung. Reichweite des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO (hier: Auslandseinsatz). Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gem. § 106 GewO und § 315 Abs. 1 BGB. Überprüfung der Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen durch das Gericht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wünscht der Antragsteller eine Regelung bezüglich der ihm obliegenden Leistungsverpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, begehrt er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Regelungsverfügung. Die Regelungsverfügung setzt das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und Verfügungsgrunds voraus.

2. Bezweckt eine einstweilige Verfügung die Sicherung der Zwangsvollstreckung oder die Befriedigung des Gläubigers eines Verfügungsanspruchs, kann eine Feststellungsverfügung mangels Vollstreckbarkeit und mangels materieller Rechtskraft keinen einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Dementsprechend kann sich aus dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtschutzes keine Rechtfertigung für eine Feststellungsverfügung ergeben.

3. Es ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob die Regelung des § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird vertreten, dass die Befugnis hierzu schon direkt aus § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich erfolge. Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf Grundlage von § 106 Satz 1 GewO, d.h., ohne dass dies ausdrücklich als möglich vereinbart worden wäre, in der Regel ausgeschlossen.

4. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum.

5. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; GewO § 106 S. 1; BGB § 315 Abs. 1, 3; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; ZPO § 938 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bayreuth (Entscheidung vom 14.04.2022; Aktenzeichen 4 Ga 3/22)

 

Tenor

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 14.04.2022, Aktenzeichen: 4 Ga 3/22, wird aufgehoben.

2. Es wird bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig geregelt, dass der Kläger berechtigt ist, die Arbeitsaufnahme als Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems vor Ort in Slowenien und Kroatien zu verweigern.

3. Die weitergehende Berufung des Klägers wird im Übrigen zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Die beiden Parteien streiten darüber, inwieweit der berufungsklagende Antragsteller verpflichtet ist, für die Antragsgegnerin "als Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien" tätig zu werden.

Der am ... 1974 geborene, verheiratete und 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin seit dem 13.07.2020 als "Bereichsleiter Controlling" in der Zentrale der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 22.06.2020. Dort haben die beiden Parteien die Tätigkeit des Antragstellers wie folgt geregelt:

§ 1 Tätigkeit

"1. Der Arbeitnehmer tritt ab 13.07.2020 als Bereichsleiter Controlling in unsere Zentrale ein. Er kann mit anderen Aufgaben betraut werden. Der Arbeitnehmer hat diese Tätigkeit auch für andere Firmen der N... Firmengruppe bzw. Tochtergesellschaften auszuüben.

2. N... ist berechtigt, den Arbeitnehmer im Rahmen der Zumutbarkeit auch in einen anderen Bereich zu versetzen.

3. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die ihm übertragenen Arbeiten und erteilten Weisungen gewissenhaft auszuführen. Diese Arbeiten sind in der jeweils für die vereinbarte Tätigkeit gültigen Stellenbeschreibung näher geregelt. Der Arbeitnehmer hat die ihm ausgehändigte Stellenbeschreibung zur Kenntnis genommen und erkennt sie als Bestandteil des Vertrages an. Im Bedarfsfall hat er auch andere einschlägige, mindestens gleichwertige Arbeiten zu übernehmen, wobei N... bei der Zuweisung dieser Tätigkeiten nach billigem Ermessen handelt und auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen wird.

4. Es gelten die N...-Richtlinien (z.B. Reisekostenrichtlinie, Code of Conduct), die ebenfalls Bestandteil des Vertrages sind."

Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche erzielte der Antragsteller eine Bruttomonatsvergütung von 9.732,38 € (inkl. 565,71 €...

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