Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung überzahlter Vergütung. Unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitnehmer, der über mejhr als vier Jahre erkennbar zu viel Vergütung erhielt, kann sich nicht auf Entreicherung berufen, wenn er fehlerhafte Gehaltsabrechnungen erhielt und damit die Überzahlung kannte. Dann ist er bösgläubig i.S.v. § 819 BGB.
2. Auch wenn der Arbeitnehmer seine finanziellen Angelegenheiten vollständig durch einen Dritten erledigen lässt und auch nur der Dritte die Gehaltsabrechnungen zur Kenntnis genommen hat, muss sich der Arbeitnehmer dessen Kenntnis zurechnen lassen.
3. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber dem Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist nicht mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn der Arbeitnehmer es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Arbeitgeber Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten.
Normenkette
BGB §§ 812, 818 Abs. 3-4, § 819 Abs. 1, §§ 242, 611, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 282, 166 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Weiden (Urteil vom 28.01.2008; Aktenzeichen 3 Ca 1582/07 S) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers vom 26.03.2008 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 28.01.2008 wird das Endurteil wie folgt abgeändert:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 8.009,77 (in Worten: Euro achttausendundneun 77/100) sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 13.10.2007 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 4/5, die Beklagte trägt 1/5.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung überzahlter Vergütung.
Die Beklagte war seit 14.05.1980 beim Kläger im Zentrum B. F. und S. Region O. beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien die Geltung des BAT vereinbart. In § 9 des Arbeitsvertrags heißt es:
„Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, Überzahlungen von Dienstbezügen an den Arbeitgeber zu erstatten. Sie kann sich dabei nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 BGB berufen.”
Bezogen auf den Zeitraum 01.01.2002 bis 31.08.2002 kürzten die Parteien die Arbeitszeit der Beklagten auf 75%. Während dieses Zeitraumes betrug das regelmäßige monatliche Gehalt der Beklagten 1.560,93 EUR brutto = 996,62 EUR netto.
Am 08.04.2002 vereinbarten die Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Nach dessen § 1 wurde das Arbeitsverhältnis ab 01.09.2002 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt. In § 2 heißt es:
„Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt 14,44 Stunden (Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ); ….”
Der Bezügestelle wurde die Vereinbarung über die Altersteilzeit nicht angezeigt. Die Beklagte wurde deshalb ab September 2002 als Vollzeitbeschäftigte geführt und erhielt die volle Vergütung in Höhe von 2.064,67 EUR brutto = 1.212,47 EUR netto. In der Gehaltsabrechnung für September 2002 steht unter der Überschrift „Erläuterungen Änderungsgründe”:
„Sie sind ab 1.9.2002 vollbeschäftigt.”
Auch in der Folgezeit erhielt die Beklagte Bezüge wie eine Vollzeitkraft.
Anfang Juli 2007 wurde der Irrtum bemerkt. Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 20.07.2007 darauf hingewiesen, dass sie für den Zeitraum September 2002 bis Juni 2007 Überzahlungen erhalten habe, die zurückzuzahlen seien. Der Überzahlungsbetrag für Mai 2005 bis Juni 2007 wurde in dem Schreiben auf 20.024,48 EUR beziffert. Unter dem 03.08.2007 teilte der Kläger die (noch nicht verjährten) Beträge von Januar 2003 bis April 2005 mit (21.212,91 EUR).
Die Beklagte wies die Rückzahlungsansprüche durch ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 13.09.2007 zurück. Sie berief sich zum einen auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist. Darüber hinaus berief sie sich darauf, sie sei entreichert.
Das Erstgericht wies die Klage mit Urteil vom 28.01.2008 ab. Wegen der Begründung wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Kläger am 03.03.2008 zugestellt.
Der Kläger legte am 28.03.2008 gegen das Urteil Berufung ein und begründete sie am 30.04.2008.
Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei bereits aufgrund der vertraglichen Rückzahlungsklausel verpflichtet, die Überzahlungen zu erstatten. Auf den Wegfall der Bereicherung könne sie sich nicht berufen. Zum einen seien die Überzahlungen nicht geringfügig gewesen. Zum anderen habe die Beklagte die Überzahlungen positiv gekannt.
Gegenüber dem Einwand, der Anspruch sei aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist verfallen, erhebe er den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die von ihr erkannte Überzahlung anzuzeigen. Dies sei ein Gebot der dem Arbeitnehmer obliegenden Treuepflicht.
Der Kläger beantragt:
I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, AZ: 3 Ca 1582/07 S vom 28.01.2008 w...