Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Stützt ein Arbeitgeber die Verdachtskündigung im Wesentlichen darauf, der Kunde habe die vom Arbeitnehmer mitgenommene Ware nicht bestellt, muss im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nicht nur der Kunde, sondern, wenn nach den Angaben des Arbeitnehmers seine Ehefrau die Bestellung entgegengenommen und an ihn weitergeleitet hat, auch die Ehefrau des Arbeitnehmers angehört werden.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen 11 Ca 1129/04 A)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 14.12.2004, Az. 11 Ca 1129/04 A, abgeändert.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 16.06.2004 noch durch die Kündigung vom 17.06.2004 beendet worden ist.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Arbeitgeberkündigungen wegen Verdachts auf Diebstahl.

Der am 12.03.1966 geborene, verheiratete Kläger ist seit 02.11.1994 im von der Beklagten geführten Betrieb als Verkäufer im Abholverkauf beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 31.10.1994, dessen Wortlautes wegen auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird, finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrages der gewerblichen Arbeitnehmer für die Betriebe des Groß- und Außenhandels in Bayern Anwendung. Der Kläger war in der Niederlassung in C., in der etwa 50 Arbeitnehmer beschäftigt sind, in der Warenausgabe am Abholertor eingesetzt. Nach einer Änderungskündigung arbeitet er als Kommissionierer im Lager in Wechselschicht.

Am Mittwoch, den 02.06.2004 arbeitete der Kläger in Spätschicht, die von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzt war. Im Lauf des Abends – der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig – holte er eine Rolle Trennfolie aus dem Lager und stellte sie zur Mitnahme an die Abholrampe. Am Ende der Schicht nahm er sie mit aus dem Betrieb. Einen Liefer- oder Abholschein oder eine sonstige schriftliche Meldung hierfür erstellte der Kläger nicht. Am Freitag, den 04.06.2004 wurde der Kläger gegen 16.30 Uhr von seinem Vorgesetzten ins Büro gebeten und mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe Ware gestohlen. Der Kläger verteidigte sich damit, er habe am 02.06.2004 gegen 20.30 Uhr einen Anruf von seiner Ehefrau erhalten, die ihm erklärt habe, ein Mitarbeiter der Firma D. – einer Stammkundin der Beklagten – aus E. habe bei ihr angerufen und gebeten, der Kläger möge eine Rolle Trennfolie mit nach Hause bringen; diese werde bei der Firma D. dringend benötigt, ein Mitarbeiter werde sie bei ihm zuhause abholen. Er, der Kläger, habe gewusst, dass sein Vater, der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt ist, schon mehrfach Kleinteile mit nach Hause genommen habe, die dann Mitarbeiter der Firma D., die wie er in F. wohnten, nach Arbeitszeitende abgeholt hätten. Er habe seinem Arbeitskollegen G. Bescheid gesagt, dass er die Ware für die Firma D. mitnehme. Er habe sie in Anwesenheit der Kollegen H. und I. herausgesucht und bereitgestellt. Die Ware sei jedoch am 03.06.2004 wider Erwarten nicht abgeholt worden.

Am 07.06.2004 brachte der Vater des Klägers die Rolle Trennfolie wieder in den Markt zurück. Am 09.06., am 14.06. und am 16.06. fanden weitere Gespräche über die Angelegenheit statt.

Am 16.06.2004 wurde dem Kläger ein Kündigungsschreiben der Beklagten mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung übergeben (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 10 d.A.). Am 17.06.2004 erhielt er eine weitere fristlose Kündigung mit einem darin enthaltenen Hausverbot (K 3 ebenda, Bl. 9 d.A.).

In seiner am 06.07.2004 eingegangenen Klage selben Datums hat der Kläger die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen geltend gemacht. Er ist der Auffassung, ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben. Er habe in der Zwischenzeit erfolglos versucht herauszufinden, welcher Mitarbeiter der Firma D. bei seiner Ehefrau angerufen und darum gebeten habe, die Folie mitzubringen. Er biete die Mitarbeiter der Firma D. mit Wohnort F. als Zeugen dafür an, dass eine solche Bitte wiederholt vorgekommen sei. Er selbst habe keine Verwendung für die Trennfolie gehabt, eine Spezialfolie, die auf Böden mit Fußbodenheizung verlegt werde. Die Rolle genüge für etwa 70 qm. Er habe die Rolle weder entwendet noch einen Versuch hierzu gemacht. Er habe extra seinen Arbeitskollegen über die Mitnahme Bescheid gegeben. Er habe deswegen keinen Lieferschein erstellt, weil die Ehefrau nicht habe angeben können, zu welcher Kommission die Rolle zugeordnet werden solle.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgenden Antrag gestellt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben vom 16.06.2004 erklärte Kündigung beendet worden ist.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die mit...

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