Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahrung tariflicher Ausschlussfrist für Lohnansprüche des gesamten Annahmeverzugszeitraums durch Erhebung einer Bestandsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer macht mit Erhebung einer Bestandsschutzklage die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche "gerichtlich geltend" und wahrt damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist (wie BAG 19.09.2012 - 5 AZR 627/11).

2. Bezugspunkt der Geltendmachung ist nicht die Dauer des Bestandsstreits, sondern die Dauer des durch die unwirksame Kündigung ausgelösten Annahmeverzugs. Daher erfasst die Geltendmachung auch erst nach Ende des Bestandsstreits entstehende Annahmeverzugsansprüche solange, bis der Annahmeverzug etwa durch das vorbehaltlose Angebot eines vertragsgerechten Arbeitsplatzes seitens des Arbeitgebers endet.

 

Normenkette

BGB § § 293 ff., § 615; GrossAussHBYMantelTV § 18 Fassung: 1997-06-23; BGB §§ 293, 611 Abs. 1, § 615 S. 1; GrossAussHBYMantelTV § 18 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 13.05.2014; Aktenzeichen 10 Ca 1194/12)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 10.06.2015; Aktenzeichen 5 AZR 795/14)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 13.05.2014, Az. 10 Ca 1194/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um Annahmeverzugslohnansprüche für die Monate Juli bis Oktober 2013 und hier insbesondere darum, ob diese Ansprüche wegen der Nichteinhaltung tariflicher Ausschlussfristen erloschen sind.

Der am 09.12.1953 geborene Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten zuletzt als Lagerarbeiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.321,83 € beschäftigt.

Noch während eines mittlerweile rechtskräftig beendeten Rechtsstreits über die Höhe der Vergütung kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 20.02.2012 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung. Auf die daraufhin vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage erklärte das Arbeitsgericht Würzburg mit Endurteil vom 26.06.2012 die Kündigung sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche Kündigung mangels Kündigungsgrundes für unwirksam (Az. 10 Ca 289/12). Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 27.11.2012 zurück (Az. 6 Sa 427/12). Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nahm die Beklagte mit Telefaxschreiben vom 03.06.2013 gegenüber dem Bundesarbeitsgericht zurück. Mit Beschluss vom 20.06.2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 26.06.2013, erklärte das Bundesarbeitsgericht, dass die Beklagte des eingelegten Rechtsbehelfes der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verlustig sei.

Bereits mit Schriftsatz vom 13.07.2012 (Bl. 1 - 4 d.A.) hatte der Kläger im vorliegenden Verfahren Klage auf Annahmeverzugslohn für die zurückliegenden Monate Februar bis Juni 2012 sowie auf Zahlung künftigen monatlichen Entgelts in Höhe von 2.308,54 € brutto ab 01.07.2012 abzüglich Arbeitslosengeld erhoben.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2012 (Bl. 87 d.A.) und vom 13.12.2012 (Bl. 88 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte zur Mitteilung auf, dass er seine Arbeitstätigkeit wieder aufnehmen könne bzw. bot der Kläger seine Arbeitsleistung ausdrücklich an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom21.06.2013 forderte der Kläger die Beklagte auf, nachdem das Kündigungsschutzverfahren durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig abgeschlossen sei, die Lohnabrechnungen zu erteilen und den Lohn zur Auszahlung zu bringen (Bl. 89 d.A.). Mit Schreiben vom 26.06.2013 antwortete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dass vor Veranlassung von Zahlungen noch eine Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit erforderlich sei (Bl. 90 d.A.). Auf Anfrage des Arbeitsgerichts vom 17.06.2013, ob es der Anberaumung eines Kammertermins bedürfe (Bl. 34 d.A.), antwortete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 05.07.2013 (Bl. 39 ff. d.A.), dass es keiner weiteren prozessleitenden Verfügung bedürfe.

Mit weiterem außergerichtlichen Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 09.10.2013 forderte der Kläger die Beklagte nochmals auf, die Lohnabrechnungen zu erteilen und den rückständigen Lohn zu zahlen (Bl. 94 d.A.).

Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 04.02.2014 machte der Kläger Annahmeverzugsansprüche für Februar 2012 bis einschließlich Januar 2014 geltend, also auch für die in der Berufungsinstanz noch streitgegenständlichen Annahmeverzugsansprüche für die Monate Juli 2013 bis Oktober 2013. Der Kläger erhielt in dieser Zeit Arbeitslosengeld in Höhe von 1.075,20 € monatlich.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 23. Juni 1997, gültig ab 01. Juli 1997 Anwendung (künftig...

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