Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung. Zur ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung und zur Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Angaben zur Person des Gekündigten gehört die Angabe der Zahl der Unterhaltsberechtigten. Es ist anzugeben, ob der Ehepartner laut Lohnsteuerkarte in einem Arbeitsverhältnis steht.
2. Scheidet ein Arbeitskollege in einem absehbaren Zeitraum aus, der in etwa der Dauer der erforderlichen zumutbaren Einarbeitung des gekündigten Arbeitnehmers entspricht, ist die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG rechtsunwirksam.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 04.03.1993; Aktenzeichen 5 Ca 1008/92 A) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen Nr. 1 des Endurteils des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 04. März 1993 (Geschäftszeichen 5 Ca 1008/92 A) wird als unzulässig verworfen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen Nr. 2 des o.a. Endurteils wird zurückgewiesen.
3. Auf die Berufung der Beklagten wird das o.a. Endurteil in Nr. 3 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Elektriker weiter zu beschäftigen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
4. Auf die Berufung der Beklagten wird das o.a. Endurteil in Nr. 4 abgeändert.
Der Kläger trägt 1/16, die Beklagte 15/16 der Kosten des Rechtsstreits.
5. Soweit die Berufung nicht in Nr. 1 als unzulässig verworfen wurde, wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte stellt im wesentlichen Zubehörteile für Gabelstapler her. Außerdem stellt sie für Container Spreader her. Dabei handelt es sich um Einrichtungen, die an Kranen befestigt sind, mit deren Hilfe Container aufgenommen und umgesetzt werden. Da diese Haltevorrichtungen elektrisch gesteuert sind, ist an ihnen eine umfangreiche Verkabelung vorzunehmen. Die genaue Zahl der Beschäftigten ist nicht vorgetragen worden. Unstreitig werden mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger hat sich darauf berufen, daß er wegen seiner Einstufung in Entgeltgruppe 9 mit etwa 60 Arbeitnehmern vergleichbar sei. Es besteht ein Betriebsrat, dessen Vorsitzender der im Berufungsverfahren als Zeuge vernommene Herr S. ist.
Der am 08.01.1942 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Frau ist nicht berufstätig. Für seine Kinder braucht er keinen Unterhalt mehr zu leisten. Der Kläger hat am 27.02.1987 die Abschlußprüfung im Ausbildungsberuf Elektroinstallateur vor dem zuständigen Prüfungsausschuß der Elektroinnung in F. bestanden. Er besuchte den Grundlehrgang I über elektrotechnische Grundlagen der Elektronik, den Grundlehrgang II über Bauelemente der Elektronik, den Grundlehrgang III über Grundschaltungen der Elektronik und den Fachlehrgang IV A über Leistungselektronik mit befriedigendem, im Falle des Grundlehrganges III mit sehr gutem Erfolg. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts war der Kläger ab März 1986, nach den vorgelegten Unterlagen seit 20.03.1987 bei der Beklagten als Elektriker beschäftigt. In einer Mitteilung an den Betriebsrat vom 13.06.1990 wurde der Aufgabenbereich des Klägers wie folgt umschrieben:
- Installation der elektrischen Versorgung für Container-Spreader
- Neuinstallation, Reparatur und Instandhaltung der elektrischen Anlagen und Geräte
Nach von der Beklagten nicht bestrittenem Sachvortrag des Klägers war er zu 75 % an der Installation der elektrischen Versorgung für Container-Spreader beschäftigt. Der monatliche Bruttoverdienst betrug zuletzt ca. DM 4.000,–.
Mit Schreiben vom 29.06.1992 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „betriebsbedingt, fristgerecht zum 14.07.1992”. Der Betriebsrat wurde laut Kündigungsschreiben informiert. Zu dieser Kündigung ist der Betriebsrat nicht gehört worden. Am 01.07.1992 übersandte die Geschäftsleitung an den Betriebsrat ein Schreiben überschrieben mit „Kündigung des Herrn P.”. Auf das Schreiben (Bl. 13/14 d.A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom gleichen Tage widersprach der Betriebsrat der Kündigung des Herrn P. mit der Begründung: „Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt”. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die beiden Kündigungen rechtsunwirksam sind und daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht sowie die Weiterbeschäftigung als Elektriker zu unveränderten Arbeitsbedingungen.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Betriebsrat sei zur Kündigung nicht ordnungsgemäß gehört worden. Es hätte dem Betriebsrat noch Gelegenheit gegeben werden müssen, innerhalb einer Woche seinen Widerspruch zu begründen. Es fehlten die Angaben über seine persönlichen Verhältnisse.
Es werde mit Nichtwissen bestritten, daß 1992 keine neuen Aufträge für Spreader hereingekommen seien und auch nicht in Aussicht stünden. Die Beklagte habe zwei zusätzliche Hallen an die bereits bestehenden drei Halle...